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Ein Hummer macht noch keinen Sommer

Ein Hummer macht noch keinen Sommer

Titel: Ein Hummer macht noch keinen Sommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Wekwerth
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Stil und Geschmack. Theodor wusste das zu schätzen, und er liebte Paisleymuster. Und Seide. Er riss sich zusammen. Nicht schon wieder abdriften, ermahnte er sich.
    Wie lautete das Stichwort? Lauwarm . Genau. Gerade wollte er wieder Bezug darauf nehmen, da fiel ihm ausgerechnet Jesus ein. Ach, dass du kalt oder warm wärest. Weil du aber lau bist und weder kalt noch warm, werde ich dich ausspeien aus meinem Munde … hatte Jesus irgendeiner mittelprächtig engagierten christlichen Gemeinde mitteilen lassen. Theodor kratzte sich am Kopf. Wie kam er denn jetzt darauf? Besonders bibelfest war er doch nie gewesen. War er überhaupt gläubig? … Moment, Natalie hatte etwas gesagt. Er musste sich jetzt zusammenreißen und aufpassen. »Jaaa?«, machte er, eher zu sich selbst. Und dann fiel es ihm wieder ein: Aus der Offenbarung des Johannes war das Zitat, und es hatte etwas mit den Thermen von Pamukkale zu tun. Dieselben hatte er auf einer zauberhaften Türkei-Reise mit David auch schon gesehen (1999 oder 1998?) und sie faszinierend gefunden, schneeweiß und …
    »Lauwarm!«, plärrte Theodor mitten in Natalies Redefluss hinein. »Würden Sie Ihren Vater auch als lauwarm bezeichnen?«
    »Ähm, na ja, das will ich so nicht unbedingt …«
    »Sehen Sie. Bei der Mondlandung, die Sie neulich erwähnten, beschrieben Sie ihn aber als einen recht temperamentvollen, begeisterungsfähigen Menschen.« Ha! Er war wieder voll bei der Sache.
    Natalie zerknüllte ihr feuchtes Taschentuch. »Aber nicht ich war ja auf dem Mond gelandet.«
    »Erklären Sie das genauer.«
    »Ich habe es nie geschafft, ihn dermaßen aus der Reserve zu locken.«
    »Sie waren eifersüchtig?«
    »Wahrscheinlich.«
    »Und wussten gleichzeitig, dass Sie es niemals bis auf den Mond schaffen würden?« Theodor war erleichtert. Da war er also, der wunde Punkt, und er würde seinen Finger nicht so schnell wieder wegnehmen!
    Sie schniefte. »Als Kind wollte ich immer Astronautin werden«, erklang ihre Stimme, die sich auf einmal anhörte wie die eines kleinen Mädchens.
    »Warum sind Sie es nicht geworden?«
    Natalie verrenkte sich fast den Hals, als sie schon wieder auffuhr und sich zu Theodor umdrehte. »Sonst noch was?«, fauchte sie ihn an. »Amerikanische Präsidentin vielleicht?«
    Andächtig wiegte Theodor seinen Kopf hin und her. Er versuchte sich nicht anmerken zu lassen, wie zufrieden er mit sich war. »Sehen Sie eine Verbindung zwischen …«
    Der und seine Verbindungen, dachte Natalie gereizt.
    »… eine Verbindung zwischen Ihrem Verhältnis zu Ihrem Vater und Ihren Männerbekanntschaften?«
    Natalie lachte kurz auf. »Ich habe ja überhaupt keine Männerbekanntschaften!« So, nun wusste er, dass sie absolut solo war.
    »Sie meiden sie also?«
    »Nein, so ist es nicht«, sagte sie schnell. »Es ergibt sich nichts. Ich bin kein Typ, der auf Männer anziehend wirkt. Ich strahle etwas aus, was Männer nicht mögen.« Und nun sag, dass du das überhaupt nicht verstehen kannst, dachte Natalie, und dass ich auf dich so anziehend wirke wie das Licht auf die Motte. Und dass du heute Abend mit mir essen gehen möchtest.
    Abwartend schwieg sie.
    »Was könnte das sein?«, fragte er und machte sich Notizen auf einem Blatt Papier. Er hatte seine Brille aufgesetzt.
    »Ich habe keine Ahnung!«, schrie sie. »Und es ist mir auch ganz egal!«
    »Die Angst, nicht zu genügen?« Konzentriert blickte Theodor auf. »Die Zeit ist um.«
    Natalie holte tief Luft, wusste selbst nicht, was gleich aus ihr herausbrechen würde. Ein Schrei? Ein Schluchzen? Ein gurgelndes, peinliches Geräusch? In Romanen wurde es häufig beschrieben mit: Sie machte ein Geräusch, als würde sie ertrinken. Das konnte sich ja nicht gut anhören.
    Letztlich kam gar nichts. Natalie lag mucksmäuschenstill auf der Couch. Sie rührte sich nicht. Die Angst, nicht zu genügen, hämmerte es in ihrem Kopf. Darüber musste sie in Ruhe nachdenken. Aber nicht jetzt.
    Theodor ordnete seine Papiere. Wieder dieser vogelige Ausdruck, dachte Natalie. Theodor Silberstadt war so etwas wie ein Habicht. Ein toller Habicht. Sie seufzte.
    »Würden Sie wohl mal mit mir essen gehen?«, fragte sie und zuckte vor Schreck über ihre plötzliche Kühnheit zusammen.
    Er nahm die Brille ab und lächelte auf sympathische Weise. »Ich muss auf ein ausgewogenes Nähe-Distanz-Verhältnis achten«, sagte er. »Und das wäre nicht mehr gegeben, wenn wir uns außerhalb der Sprechstunden sähen.«
    Natalie horchte auf. Ein Hauch von

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