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Ein Hummer macht noch keinen Sommer

Ein Hummer macht noch keinen Sommer

Titel: Ein Hummer macht noch keinen Sommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Wekwerth
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Natalie sehr müde. Sie schleppte sich in den zweiten Stock und stellte sich vor, wie es wäre, an der eigenen Tür zu klingeln, die ihr dann geöffnet würde, von … einem schlanken, hochgewachsenen Herrn im reifen, aber besten Alter, gepflegt, sympathisch, elegant. »Hattest du einen guten Tag, Liebes?«, würde er fragen und ihr aus der Jacke helfen.
    Sie klingelte tatsächlich. Und niemand machte auf. Bloß der Dackel von gegenüber bellte durch den Briefschlitz. Siehst du mal, sagte sich Natalie, so selten klingelt es an deiner Tür, dass sich sogar der Dackel von Gerda Kasulke wundern muss.
    In der Küche stand noch die Espressotasse mit dem viel zu süßen Kaffee. Komischer Tag, dachte Natalie. Ihr Kopf summte wie ein Bienenkorb. Sie wollte nicht noch mehr Schmerztabletten schlucken. Kurz erwog sie, ein Glas Rotwein zu trinken, aber der bloße Gedanke daran ließ sie erschaudern.
    Natalie lief durch die leere Wohnung. Sie hätte gern noch mit jemandem geredet. Im Wohnzimmer schnurrte der Laptop und verströmte bläuliches Licht. Sie setzte sich davor und beschloss, morgen mal Beate Dombroski anzurufen. Seit Jahren, genau genommen seit der Geburt von Beates Sohn im Jahr 1994, hatte sie nichts mehr von ihr gehört. Vielleicht war der Kleine ja inzwischen aus dem Gröbsten heraus, und Beate wäre für so etwas wie eine Freundschaft zu haben. Ich brauche dringend eine Freundin, sagte sich Natalie. Die Gemahlin des Kriegers fiel ihr ein. Der war aber auch nichts peinlich gewesen, vom Webstuhl bis zum Scheiterhaufen.
    Beate Dombroski , tippte Natalie bei Facebook ein. Es gab nur eine Betty Dombroski, und die lebte in Nebraska. Natalie starrte auf das Foto einer lächelnden Frau mit Kurzhaarfrisur. Dann tippte sie auf Freundin hinzufügen und gähnte. Nebraska? Wo lag das genau? Kanada? Gerade wollte sie es googeln, da überrollte sie die Müdigkeit wie eine große, warme Welle.
    Natalie stand auf, zog sich aus, ließ alle Kleidungsstücke einfach auf dem Boden liegen und ging kurz ins Badezimmer. Dann fiel sie ins Bett, und bevor sie sich den kleinen Zeh noch mit Schmerzgel einreiben konnte, war sie eingeschlafen.
    ▶◀
    »Ein Live-Auftritt? Trauen Sie sich das zu?«
    »Ähm. Ja. Klar.«
    »Sehr schön. Dann lassen Sie uns jetzt über Ihren Vater reden.«
    Mit gerunzelter Stirn drehte sich Natalie nach Theodor Silberstadt um, der an seinem gläsernen Schreibtisch saß und Bleistifte ordnete.
    Ihre große Neuigkeit war verpufft, und jetzt sollte sie schon wieder über ihren Vater nachdenken?
    »Er war einfach nicht besonders interessiert an mir«, sagte sie seufzend und streichelte den dunkelroten Polsterbezug, was einer gewissen Erotik nicht entbehren konnte. Ihr glatt geföhntes Haar ließ sie über den Rand der Couch fließen und hoffte, dass sich die beiden Rottöne nicht allzu sehr bissen. Sie trug einen kurzen, seidenen Rock von Etro, dessen indischem Muster sie nicht hatte widerstehen können. Das schlichte weiße T-Shirt, das sie dazu kombiniert hatte, betonte nicht nur das farbenfrohe Paisleymuster, sondern auch ihren strammen, kleinen Busen.
    Auf hohen Absätzen hatte sie sich in die Praxis gekämpft und war nicht undankbar auf die rote Couch gesunken, auf der sie nun wie hingegossen lag.
    »Wie kommen Sie darauf?«, fragte Theodor.
    Natalie kreuzte auf anmutige Weise die Füße. Sie wollte gar nicht über ihren Vater sprechen. »Ich habe ihn nicht wirklich gestört «, sagte sie schließlich. »Aber begeistert eben auch nicht. Vielleicht hatte er einfach andere Pläne im Leben, als Familienvater zu werden.«
    »Sie nehmen ihn in Schutz?«, erklang Theodors Stimme. »Obwohl er sich Ihnen gegenüber so lauwarm verhielt?«
    Jetzt wollte sie auf einmal wieder heulen. Es war ja nicht zum Aushalten mit ihr. Natalie fixierte eine Spinne an der gegenüberliegenden Wand, die mit acht Beinen eifrig ihren morgendlichen Spinnenaufgaben nachging.
    Nicht heulen, nicht heulen, sagte sie sich, aber es half nicht.
    »Würden Sie das auch so sehen?«, fragte Theodor.
    »Hm.«
    »Nehmen Sie sich ruhig ein Taschentuch. Sie wissen ja, wo die Schachtel steht.«
    Recht undamenhaft schnaubte sich Natalie die Nase. Dann drehte sie sich wieder zu Theodor herum, der die Hände gefaltet hatte. Vor ihm auf der Glasplatte lagen, nach Größe geordnet, seine Bleistifte.
    Heute bin ich ganz bei der Sache, sagte er sich. Er freute sich, Natalie wiederzusehen. Er fand sie ausgesprochen nett. Und gut sah sie außerdem noch aus. Sie hatte

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