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Ein Hummer macht noch keinen Sommer

Ein Hummer macht noch keinen Sommer

Titel: Ein Hummer macht noch keinen Sommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Wekwerth
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die Schubkarre wohl außer Acht lassen können.«
    »Oh.«
    »Verstehen Sie?«
    Natalie nickte mit dem Handy am Ohr. »Der Zwerg lässt mich nicht in Ruhe, weil er aus der Tiefe meiner Seele kommt und mir etwas mitteilen will?«
    »Gefällt Ihnen diese Formulierung?«
    »Schon.«
    »Erkennen Sie die Realität der Seele an?«
    »Klar doch.«
    »Also«, fuhr Theodor mit geduldiger Stimme fort. »Was will Ihnen dieser Zwerg, der offensichtlich nichts weiter als eine Ihrer zahlreichen Teilpersönlichkeiten darstellt, sagen?«
    Natalie atmete aus. »Dass ich ein Problem mit Männern habe?«
    »Kann das stimmen?«
    »Na, prima«, sagte sie. »Sie haben mir ein Problem mehr verschafft, von dem ich noch gar keine Ahnung hatte.«
    Theodor lachte. »Verzeihen Sie bitte.«
    Ein Spatz hüpfte auf Natalies Tisch und sah sie mit schiefgelegtem Kopf an. »Wissen Sie, eigentlich ging es um etwas ganz anderes«, sagte sie und hatte das Gefühl, der Vogel höre ihr aufmerksam zu, dabei hatte er bloß einige Croissantkrümel im Visier. »Ich wollte Ihnen eigentlich erzählen, dass ich keine Lust mehr auf die Büchershow habe und dass ich mir den Live-Auftritt doch nicht so recht zutraue, schon gar nicht, wenn es darum geht, bescheuerte Bücher vorzustellen, die es gar nicht verdient haben, wo es doch so zauberhafte Bücher gibt, über die niemand spricht, und …«
    »Aber, liebe Frau Schilling«, unterbrach Theodor sie feierlich. »Das ist doch sozusagen eine Suppe.«
    »Und wo Sie schon von Suppe reden«, erwiderte Natalie, »Koch- und Lifestyle-Kolumnen mag ich auch nicht mehr schreiben.«
    »Haben Sie schon einmal darüber nachgedacht, stattdessen etwas Eigenes zu schreiben?« In diesem Augenblick startete der Spatz einen Überraschungsangriff, flatterte mitten auf den Tisch, erbeutete einen großen Krümel und flüchtete.
    Natalie sah ihm hinterher. »Nein«, sagte sie gedehnt. »Darüber habe ich noch nie nachgedacht.«
    »Dann tun Sie das. Ich muss weiter, Frau Schilling. Wir sehen uns ja übermorgen. Essen Sie Fisch?«
    »…«
    »Hallo? Sind Sie noch dran?«
    Vor ihren Augen drehte sich alles. Sie war wie vor den Kopf geschlagen. »Ja.«
    »Also dann, machen Sie es gut. Wenn noch etwas ist, rufen Sie mich an.«
    »Sie sind so lieb«, antwortete Natalie benommen.
    »Auf Wiederhören.«
    »Auf Wiederhören … Ich liebe Sie.«
    Oh mein GOTT , hatte sie das jetzt eben wirklich gesagt? Sie lauschte ins Telefon, aber Theodor Silberstadt hatte zum Glück schon aufgelegt.
    Völlig verhuscht , zischte es giftig.
    »Ach, du bist noch da?«, murmelte Natalie und kramte schon wieder in Lisa, diesmal auf der Suche nach ihrem Portemonnaie.
    Klar.
    Natalie legte einen Geldschein auf den Tisch und stand auf. »Du bist nichts weiter als ein popeliger Teilaspekt«, sagte sie leise. »Und ich habe ein Problem mit Männern und werde einen Roman schreiben. So!«
    Darauf wusste der Zwerg nichts zu erwidern.
    ▶◀
    Am Abend leuchtete ein besonders schöner Vollmond über Berlin und ließ viele Einwohner nicht schlafen. Darunter waren auch Hertha, David, Theodor und Natalie. Sie standen an ihren Fenstern und lehnten sich dem roséfarben angehauchten Himmelskörper entgegen, der ein sehnsüchtiges Déjà-vu-Gefühl in ihnen auslöste. Hertha dachte an Serge Bertier. David dachte an Theodor, Theodor an David. Und Natalie dachte an die Mondlandung.
    Um ein paar Stunden für sich zu haben, hatte David das Geld, das er am Nachmittag beim Blutspenden verdient hatte, Tim in die Hand gedrückt. »Geh Bier trinken«, hatte er gesagt und »Juchhu« geflüstert, nachdem die Ateliertür wenig später hinter Tim ins Schloss gefallen war. Dann hatte David in aller Ruhe seine E-Mails gelesen, seinen Namen gegoogelt und im Internet nach Hinweisen auf den Neuruppiner Künstlerkreis gesucht, aber nichts von Bedeutung gefunden. Nun stand er am Fenster und starrte den Mond an.
    Ich bin Maler, sagte er sich. Ich muss malen. Ob ich Erfolg habe oder nicht. Ob meine Mutter das total bescheuert findet oder nicht. Vielleicht sollte ich tatsächlich ein wenig an der Subtilität meiner Farben arbeiten. Theodor könnte Recht haben. Auch wenn ich das niemals zugeben würde.
    Während Tim am Nachmittag in einer Ecke des Ateliers geschlafen hatte (Die Zeiten des Modellstehens waren längst vorüber.), war David bemüht gewesen, sich dem verblühten Blumenstrauß zu widmen. Er hatte Grün, Weiß und Orange vermengt, leise für Transparenz gebetet und immer wieder zur Küchenrolle

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