Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein Hummer macht noch keinen Sommer

Ein Hummer macht noch keinen Sommer

Titel: Ein Hummer macht noch keinen Sommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Wekwerth
Vom Netzwerk:
sein Ohr brannte. Zwergenaufstand? Plastik? Zu grell.
    Fluchtartig verließ er das Haus.
    »Sieh mal, rennt da unten nicht David?«, fragte Hertha, die gerade trockene Blätter von den Geranien zupfte.
    Theodor saß unterm Sonnenschirm und trank sein Glas Fanta in einem Zuge aus. »Das wäre ja was!«, sagte er dann lachend.
    »Nein, wirklich, das ist er!«
    »Du glaubst , dass er es ist, weil wir eben über ihn gesprochen haben«, erklärte Theodor und fischte sich eine Erdnusslocke aus der Schale.
    »Sag deiner Mutter nicht, was sie glaubt zu sehen, wenn sie dir sagt, dass der Mann, der da gerade um die Ecke flitzt, David ist.«
    »Schon gut.«
    »Nichts ist gut!«, schrie Hertha. »Ihr seid beide kreuzunglücklich.«
    »Bin ich nicht.«
    »Bist du doch.«
    »Schrei nicht so, Maman.«
    »Ich schreie auf meinem Balkon, so viel ich will.« Etwas leiser fügte sie hinzu: »Du solltest dich wirklich zur Ruhe setzen, mein Junge.«
    »Das hat mir gerade noch gefehlt!«, schrie nun Theodor und sprang auf. Wenig später verließ ein weiterer Mann recht eilig das Haus, in dem Hertha Silberstadt wohnte.
    »Wiedersehen«, rief sie vom Balkon und wies in eine Richtung. »David ist da lang gelaufen!«
    Theodor bremste ab, winkte seiner Mutter zu und ging hastig in die andere Richtung davon.
    ▶◀
    Mit wohligem Schauder dachte Natalie an die erste Ordnungswidrigkeit ihres Lebens zurück, die sie soeben begangen hatte.
    Als sie das fünfte Buch aus der Büchershow-Kiste in den Lietzensee geworfen hatte, war der Parkwächter gekommen.
    »Was machen Sie denn da?«
    »Ich werfe Bücher ins Wasser«, hatte sie mit überkippender Stimme geantwortet und wäre beinahe selbst in den See gefallen, wenn der Mann sie nicht am Arm gepackt hätte. Sie fühlte sich so erleichtert, befreit, geradezu euphorisch.
    Es tat ihr nur leid, dass sie vielleicht versehentlich einen Frosch unter Wasser erschlagen haben könnte, aber das Papier würde sich ganz bestimmt schnell auflösen, und die Strafe wegen »Verunreinigung einer öffentlichen Parkanlage« zahle sie natürlich auf der Stelle und liebend gern, obwohl von einer Verunreinigung eigentlich keine Rede sein konnte … All das erklärte sie etwas atemlos dem Parkwächter, der sie ansah, als hätte sie nicht alle Tassen im Schrank. »Nun gehen Sie mal hübsch nach Hause«, sagte er, »bevor sie noch was anderes im See versenken.«
    Ganz kurz flammte vor Natalies geistigem Auge das Bild einer gefesselten Frau Rüttgers auf, an deren Füßen ein großer Stein befestigt war, der sie binnen Sekunden … aber nein. So etwas sollte man sich nicht ausmalen. Das war wirklich zu morbide. Mit einem Lächeln auf den Lippen verließ Natalie den Park.
    Bereits eine Stunde später – auf der Terrasse des Café Rosenstein – war die Euphorie verflogen. Was hatte sie sich nur gedacht? Nur weil sie nicht glücklich mit der Auswahl der Titel war, konnte sie doch nicht alles hinschmeißen. Andere Frauen würden einen Mord für ihren Moderatorinnenjob begehen. Natalie seufzte. Sie sah sich selbst im sexy Kleid auf dem Gendarmenmarkt stehen, ein Mikrofon in der tadellos manikürten Hand haltend, im Hintergrund lief gerade Paul Auster durchs Bild … Sie schüttelte den Kopf. Realistisch bleiben, mahnte sie sich. Auch wenn’s schwerfällt.
    Wenn nun jede Kassiererin, jede Sekretärin, jede Klofrau in den Lietzenseepark käme, um ihre Kasse, ihre Schreibmaschine, den Chef oder ein Klo in den See zu schmeißen … Natalie kicherte kurz, und der Kellner warf ihr einen fragenden Blick zu.
    »Noch ’n Kaffee?«, fragte er in einem Ton, der sie sofort zur Räson brachte.
    »Ja. Mit weniger geschäumter Milch, bitte.«
    Grübelnd saß Natalie da und fröstelte, obwohl es sonnig und warm war. Was sollte sie nur tun?
    Es gab zwei Möglichkeiten. Erstens: jetzt schnell in den nächsten Laden rennen, sich die fünf blöden Bücher auf eigene Kosten neu beschaffen, so tun, als wäre nichts passiert, und hoffen, dass ihr ein raketenhafter Karriereaufstieg beim Fernsehen bevorstand. Zweitens: jetzt einfach sitzen bleiben, zum Handy greifen und der Rüttgers von der soeben durchgeführten Aktion berichten, inklusive der kleinen Gewaltfantasie am Ende.
    Der Kellner kam an den Tisch, räumte ihre benutzte Tasse ab, stellte eine neue hin, auf der sich eine besonders große Menge Milchschaum befand.
    »Macht Ihnen Ihr Job Spaß?«, fragte Natalie.
    »Nee.«
    »Wieso machen Sie ihn dann?«
    »Bin Student.«
    »Was studieren

Weitere Kostenlose Bücher