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Ein Hummer macht noch keinen Sommer

Ein Hummer macht noch keinen Sommer

Titel: Ein Hummer macht noch keinen Sommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Wekwerth
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sich schmecken.« Schon wieder dieses Lächeln. Jetzt begann es sie zu ärgern.
    »Sie behaupten also zu wissen, dass ich keinen Fenchel mag?« Natalie sah fest in seine Augen, was ihr nicht leichtfiel, denn sie waren mandelförmig und dunkelsamtig und machten keinerlei Anstalten, sich zu senken.
    »Ich behaupte gar nichts«, antwortete er und schien amüsiert. »Ich glaube lediglich erkannt zu haben, dass Sie keinen Fenchel mögen.«
    »Das kommt wohl auf dasselbe heraus, oder?« Natalies Augen begannen zu brennen, sie blinzelte heftig, und obwohl sie es nicht wollte, blickte sie kurz nach unten und fühlte sich geschlagen. »Sehen Sie«, sagte sie matt. »Sie machen es wieder und wieder, Sie merken es schon gar nicht mehr.«
    »Was?«
    »Na, was wohl? Grunzgrunz-Grunz. Das!«
    Betroffen sah er sie an.
    »Das nervt! Herr Silberstadt, das nervt! Ich warte schon die ganze Zeit darauf, dass Sie auf Ihre Uhr schauen und ›Die Zeit ist um‹ sagen.«
    Theodor schwieg und beobachtete Natalie, die mit Todesverachtung ihre Riesenportion Fenchel verspeiste.
    Mein armer David, dachte er. Wie anstrengend muss es für ihn gewesen sein. Und ich habe mich gewundert, dass er nicht bei mir einziehen wollte. Blind und taub bin ich gewesen. Ein ignoranter, selbstgefälliger Trottel.
    »Köstlich«, sagte Natalie und legte ihr Besteck auf den leer gegessenen Teller.
    »Das freut mich.«
    »Sehen Sie, schon viel besser.«
    »Sie meinen, ich bin lernfähig?«
    »Natürlich.«
    Er blickte sie traurig an. »Ich glaube, ich habe in der Vergangenheit viele Fehler gemacht.«
    »Fehler kann man wiedergutmachen«, erwiderte Natalie und trank einen großen Schluck Wein. Am liebsten hätte sie sich den Mund damit ausgespült und gegurgelt, um den ekelerregenden Fenchelgeschmack loszuwerden.
    »Sind Sie bereit für ein Dessert?«
    »Nichts lieber als das.«
    »Mögen Sie Schokolade?«
    »Ich liebe Schokolade!«
    Sie aßen Theodors selbst gemachten moelleux au chocolat , das Natalie über alle Maßen lobte, und tranken Rotwein dazu, der erstaunlich gut damit harmonierte, obwohl Natalie erst skeptisch gewesen war. Sie sprachen über Istanbul und den Großen Bazar, über Kochrezepte und Kinofilme, sie waren sich einig, wie zauberhaft Julie und Julia gewesen war, und stellten fest, dass sie dieselben Filme liebten und auf DVD besaßen: Jenseits von Afrika , Grüne Tomaten , Purple Rose of Cairo , Harry und Sally und Scoop .
    Sie hörten Schellackplatten und sangen leise mit: »›Die Rosen, die am schönsten blühn, sind die, die über Nacht verglühn.‹«
    Und dann war es auf einmal zwei Uhr nachts.
    »Ich muss gehen«, sagte Natalie.
    »Ich rufe Ihnen ein Taxi.« Die beiden standen auf. Natalie bemerkte die drei leeren Weinflaschen auf dem Esstisch. Sie fühlte sich gar nicht betrunken, nur ein wenig beschwipst und außerordentlich heiter. »So ein schöner Abend«, sagte sie und wusste nicht, ob sie Theodor zum Abschied die Hand geben sollte, was ihr zu förmlich erschien, aber sie konnte ihm doch nicht um den Hals fallen, obwohl sie es wirklich gern getan hätte. Sie hätte ihm auch einfach auf die Schulter klopfen und ganz lässig sagen können: Hey, das war echt …
    »Das Taxi kommt sofort«, sagte Theodor gerade und legte den Hörer eines altmodischen Bakelit-Telefons auf die Gabel zurück. Dann brachte er sie zur Wohnungstür.
    »Herr Silberstadt …«
    »Vielen Dank für Ihren Besuch, ich habe viel gelernt heute Abend«, unterbrach Theodor sie, beugte sich hinab und umarmte sie.
    Vor Schreck machte sich Natalie ganz steif, ihr stockte kurz der Atem, ihr schwanden die Sinne, lautstark sog sie den einmaligen Pour Monsieur -Silberstadt-Duft tief in ihre Lunge hinein, und gerade wollte sie ihre Arme um Theodors schmale Taille schlingen, sich an ihn pressen, ihm sagen, wie sehr sie ihn begehrte und liebte, da ließ er sie schon wieder los.
    »Ich …« Natalie schwankte, sah zu ihm auf, direkt in seine dunkelbraunen Augen hinein, und dann konnte sie nicht an sich halten und stellte sich auf die Fußspitzen, um ihm einen Kuss auf den Mund zu hauchen. Nur leider hob er just in diesem Moment den Kopf leicht an, so dass Natalie lediglich sein Kinn erreichte, was ihr ein wenig albern vorkam.
    »Gute Nacht«, sagte er ruhig, als wäre er es gewohnt, nachts von betrunkenen Frauen aufs Kinn geküsst zu werden.
    »Gute Nacht. Vielen Dank.« Natalie huschte hinaus und öffnete hastig die Fahrstuhltür. Das war ja eine misslungene Abschiedsszene gewesen.

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