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Ein Hummer macht noch keinen Sommer

Ein Hummer macht noch keinen Sommer

Titel: Ein Hummer macht noch keinen Sommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Wekwerth
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verlogen? Ja geradezu betrügerisch? Schnaufend lehnte sie sich kurz in den Schatten einer Hauswand und fragte sich, warum sie so häufig absurden Lebenssituationen ausgesetzt war. Auf geheimnisvolle Weise schien sie Misslichkeiten anzuziehen. Warum fuhren ihre Jimmy-Choo-Schuhe gerade im Taxi spazieren? Warum küsste sie ihren Therapeuten aufs Kinn? Warum tippelte sie bei dreißig Grad wie eine chinesische Konkubine mit Lotusfüßen durch die Kantstraße? Der erste von unzähligen Asia-Shops tauchte auf, und hier würde von Tiefkühlshrimps über thailändische Glücksgöttinnen bis zu Qi-Gong-Kugeln fast alles zu bekommen sein.
    Wenig später steckten Natalies geschundene Füße in neonfarbenen Flip-Flops. »Die leuchten im Dunkeln«, wurde ihr von einer winzigen Verkäuferin erklärt.
    »Wie praktisch«, erwiderte Natalie strahlend. Sie hätte am liebsten gesungen, so wunderbar war es, schmerzfrei zu sein. Vor lauter Glück und um ihrer Dankbarkeit Ausdruck zu verleihen, kaufte sie noch ein Paar Ohrringe aus Jade. Und einen Fächer. Und einen Taschenspiegel. Und einen Satin-Kimono. Und ein Notizbüchlein. Und eine Schachtel Glückskekse. Und einen seidenen Schal.
    Und eine Teekanne.
    »Oooh«, die kleine Asiatin an der Kasse machte trotzdem ein bekümmertes Gesicht. Sie hatte gerade auf Natalies Füße geblickt. Wehe, sie sagt jetzt etwas über meinen Hallux vulgas … vulgaris, dachte Natalie gereizt.
    Doch die Frau deutete auf die Ballerinas, die immer noch unbeachtet auf dem Fußboden herumlagen. »Oh-oh«, sagte sie, »Blut ist im Schuh.«
    Rucke-di-gu, wollte Natalie antworten, verkniff es sich aber im letzten Moment. »Nicht so schlimm«, sagte sie stattdessen und zahlte. Dann flip-flopte sie mit ihren Einkaufstüten nach draußen.
    Sie hatte es plötzlich eilig, denn sie hatte Entscheidungen zu treffen.
    ▶◀
    Während Hertha und Rosie am Geländer des Seehundgeheges standen und der Fütterung zuschauten, luden David und Rudolf gerade das letzte Hummergemälde in einen Kleinlaster, und Theodor hatte soeben die dritte Paracetamol geschluckt. Er lag im Bett und starrte in die Stuckrosette an der Zimmerdecke. Neben ihm lag der Mops Feivel, der unter Darmwinden litt.
    Strafend sah Theodor ihn an. »Schäm dich, hässlicher Hund.«
    Daraufhin senkte Feivel den dunklen Kopf und starrte so zerknirscht auf seine zusammengerollten Pfoten, dass Theodor schnell »Schon gut« murmelte und ihm den Rücken tätschelte. »Aber mach es nicht wieder.«
    »Wollen wir was essen gehen?« Rudolf knallte die Tür des Lasters zu.
    »Gibt es in diesem Dorf so etwas wie ein Restaurant ?«, wandte sich David an Schweineaugen-Schrader, die daraufhin ihre Augen noch schmaler werden ließ und ans Ende der Straße deutete.
    »Griechisch«, sagte sie knapp und verschwand ohne ein weiteres Wort im Haus.
    »Auf Nimmerwiedersehen«, murmelte David grinsend. Dann lud er Rudolf zu einem griechischen Mittagessen in Neuruppin ein.
    Die Robben im Berliner Zoo hatten derweil ihr Mittagessen beendet und schwammen nur noch grunzend herum, was Rosie langweilig fand, deswegen ging sie mit Hertha zu den Elefanten zurück. Und dann aßen die beiden Wiener Würstchen und zum Nachtisch Eis.
    Auch Natalie hatte Hunger bekommen. Sie war inzwischen auf dem Kurfürstendamm angekommen. Doch der Anblick einer zertrümmerten Kirche war nicht der richtige, um Entscheidungen zu treffen. Sie ließ die Gedächtniskirche hinter sich, flip-flopte ein wenig durch H&M. Ihr Kaufrausch war allerdings verflogen, und die Tüten aus dem Asia-Laden hingen ihr schwer am Arm. Sie beschloss, mit der U-Bahn nach Hause zu fahren.
    Inzwischen waren auch Hertha und Rosie auf dem Heimweg. Sie nahmen den Bus. »Oben und vorne«, entschied Rosie und hüpfte die schmale Treppe hinauf. »Wo denn sonst?«, erwiderte Hertha, und als sie keuchend oben angekommen war, war es schon wieder Zeit auszusteigen.
    Theodor hörte seine Mutter auf der Mailbox des Notfall-Handys »Wo bist du?« flüstern. Das war heute Morgen um Viertel nach zehn gewesen. Sonst hatte niemand eine Nachricht hinterlassen. Er schloss die Augen und versuchte zu schlafen, aber der Mops schnarchte zu laut.
    David und Rudolf standen auf der Autobahn im Stau. David, der am Steuer saß, lag das Tsatsiki ein wenig im Magen, Rudolf hatte einen Schwips vom Ouzo, aber die beiden waren bester Stimmung. Bis eben hatten sie ihr gemeinsames Hummer-Hommage-Vernissage-Projekt besprochen und waren voller Zuversicht. Und beide waren

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