Ein Hund mit Charakter
Hausmeister, Herr Zsombolya, samt Töchterchen zur Bescherung eingestellt hat – dieser brave Mann, der unter Depressionen und seltsamen Gedankenverbindungen leidet und an dem nichts weiter auszusetzen ist, als daß er allabendlich vergißt, Petroleum in die Lampe des Stiegenhauses zu füllen. Auch die Dame des Hauses steht in der Tür, beinahe zwischen den dienstbaren Geistern, gerade nur ein wenig von der Truppe abgesetzt. Sie lehnt mit verschränkten Armen am Türrahmen und blickt unverwandt mit angestrengter Liebenswürdigkeit in die Flämmchen, vielleicht sogar mit etwas übertriebener Aufmerksamkeit. »Noch ein Augenblick, und sie wird sehr müde sein!« geht es dem Herrn, der dieses starre, sehr aufmerksame Lächeln an ihr kennt, durch den Sinn. Er wendet den Blick ab und schaut aus dem Fenster. An der Straßenecke steht ein Polizist im Schnee, ein dunkler, vermutlich zufriedener Trupp von Männern mit Hacken und Schneeschaufeln zieht schnaufend die steile Taborstraße hinauf. Die Sozialordnung ist intakt. »… und den Menschen auf Erden ein Wohlgefallen!« säuselt noch der Palestrina-Chor. Dann tritt Stille ein.
Doch bevor die Anwesenden aus diesem tranceähnlichen Zustand zu sich kommen, das Händeschütteln und Staunen, der freudig erregte Austausch sowie das Auspacken der Liebessymbole beginnen, das Lächeln und Grinsen, das Hand- und Wangenküssen, die Verbeugungen, das Zum-Ausdruck-Bringen tiefer Empfindungen und andere seltsame Gewohnheiten ihren Anfang nehmen – die Ausländer, etwa europareisende Japaner, vermutlich höchst gewissenhaft aufgezeichnet und sicher als beachtenswerte Bräuche und Sitten unseres Kontinents wahrgenommen hätten –, bevor man also zum zwangloseren und fröhlicheren Teil des Heiligen Abends übergeht, zum Speisen, zum Bewerten der Geschenke, zu schüchternem Protest und den überschwenglichen Danktiraden, unterbricht ein langgezogener, peinlicher Ton die augenblicklich eintretende verlegene Stille. Eines der unter dem Weihnachtsbaum liegenden Päckchen hat sich selbständig gemacht und kullert auf den Teppich hinunter. Die vor dem verhexten Paket wie gebannt dastehenden Cousinen kommen nicht einmal dazu, einen Schreckensschrei auszustoßen, als die Dame sich auch schon hinkniet und aufgeregt an dem geheimnisvollen Päckchen nestelt. Sie allein bewahrt die Contenance in dem allgemeinen Getöse der Freude und des Staunens, das nun anhebt. Vorsichtig befreit sie das mit einem Tannenzweiglein geschmückte Symbol aus seiner Verpackung und hebt es mit beiden Händen hoch. Es läßt vor Schreck Schwanz und Ohren hängen, sträubt das Fell und jault erbärmlich. Die Dame hält es empor, um es allen Anwesenden zu zeigen, drückt es dann an ihre Brust und spricht leise und beruhigend auf die kleine Kreatur ein. Den ganzen Abend behält sie das Tier in ihrer Nähe.
Innerhalb von Minuten haben alle den Namen Tschutora verinnerlicht, und bald darauf kennt ihn, da sich die Hausbesorgerin sowie der unbekannte Handwerker und Bräutigamsaspirant bald entfernt haben, bereits das ganze Haus. Alle nehmen mit herablassender Liebenswürdigkeit und wohlwollender Nachsicht Namen, Alter und Abstammung der Kreatur zur Kenntnis, nur die Dame interessiert dies alles nicht, für sie scheint es zweitrangig zu sein. Vermutlich ist ihr allein die Tatsache wichtig und bewegend, daß dieses Liebessymbol lebt. Die Kreatur hat inzwischen Zeit gehabt, zu sich zu kommen. Sie kuschelt sich an den Arm der Dame, macht von hier aus ihre Beobachtungen, spitzt die Ohren, bestaunt die Lichter, bäumt sich auf, quengelt und bricht dann gar in ein zorniges, sichtlich angriffslustiges Bellen aus. Die durchdringende Stimme übertönt den übrigen Lärm und die Gespräche. Tschutora muß den Lüster anbellen, den Baum mit den brennenden Kerzen, an dem wieder einmal ein mit Salonzuckerln, diesem traditionellen zuckersüßen Schmuck ungarischer Weihnachtsbäume, übervoll behangener Ast bereits Feuer fängt; wie schon im letzten Jahr hat man es der Aufmerksamkeit des geschickten Josef zu danken, daß eine Ausbreitung der Flammen verhindert wird. Tschutora kläfft in Richtung der Cousinen, die ihm süßlich lächelnd aus sicherer Entfernung Koseworte zuwerfen und für keinen Schatz der Welt dieses verschmutzte Fellknäuel anfassen würden, das die Dame ans Dekolleté ihres Abendkleides preßt.
Auch Theres hat ihre Meinung schon kundgetan und sich zwar reserviert, aber doch billigend geäußert, was den Herrn sichtlich
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