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Ein Hund mit Charakter

Ein Hund mit Charakter

Titel: Ein Hund mit Charakter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sándor Márai
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weltlichen Leumund in der Christinenstadt betrifft, so muß man zugeben, daß sowohl seiner Arbeit wie seiner Person die einem fleißigen, aufrechten, zum Schwärmen neigenden Menschen gebührende Achtung gezollt wird; wer ihn näher kennt, weiß ihn als zuverlässigen, anständigen Mann zu schätzen, der zwar mit »Gelobt sei Jesus Christus« ankommt und mit den »Segenswünschen fürs Haus« geht, zwischendurch vielleicht ein paar Bemerkungen über den Glaubensschild und die Lanze der Gnade verliert, letzten Endes aber doch ganz zwanglos seinen Vorschuß für die übernommene Arbeit kassiert; und dieses Symptom ist vom medizinischen Standpunkt gesehen schon wieder beruhigend. Darüber hinaus liegt er im Streit mit der Belegschaft der Gendarmeriekommandantur im nahe gelegenen Wallfahrtsort Máriabesnyő. In dieser Angelegenheit wendet er sich von Zeit zu Zeit an Tschutoras Herrn, den er von Angesicht zu Angesicht und ohne rot zu werden mit Attributen wie »gnädig« und »herzensgut« auszeichnet, um sich dann von ihm allerlei Eingaben unterschreiben zu lassen, doch klug werden kann man aus alldem leider nicht.
    Problematischer ist, daß Hansi eines Tages heftig aufbegehrt hat, was in der Christinenstadt zu mancherlei boshaftem und übertriebenem Getratsche Anlaß gab; die stille und wegen ihrer Körperfülle schwer schnaufende Hansi, mit der es – glaubt man den ominösen und übelmeinenden Bemerkungen von Theres – einmal »ein böses Ende« nehmen wird, weil sie »Erdbeeren ißt« und »eine Waschfrau kommen läßt«, diese Hansi hat laut revoltiert. Und wer die Umstände kennt, wird zugeben müssen, zu Recht. Unfaßbar, welcher Teufel Herrn Telkes geritten haben mag, als gerade er – der Jahrzehnte hindurch mit seiner Seelenschwärmerei zwischen Hobel- und Drechselbänken glücklich war, der mit seiner Schwindsucht und den Jenseitigen hehren Umgang pflegte – eines Tages »ein Frauenzimmer aus der Verwandtschaft« zu sich nahm, um mit seinen Worten zu reden. Wir berichten nur widerstrebend darüber, denn die Art und Weise, in der die Literatur mit der Wirklichkeit umgeht, hat immer etwas Pamphlethaftes; doch selbst wenn sich die Literatur der Schweigepflicht verschriebe – sie tut es nicht –, so würde uns in dem Fall der Umstand dieser Pflicht entheben, daß Hansis Rebellion in aller Öffentlichkeit stattfand und in der Christinenstadt, wo sich selbst Geburt und Tod hinter gläsernen Wänden abspielen, seinerzeit viel Staub aufgewirbelt hat. Warum aber nahm Herr Telkes die Verwandte zu sich? Denn daß er es tat, ist nicht zu leugnen, und zwar in Gestalt einer nicht übel aussehenden jungen Weibsperson, die er weiß Gott wo aufgelesen hat – und er nahm sie so sehr zu sich, daß es sogar der sonst stillen, gutgläubigen Hansi aufgefallen ist; sie wäre vermutlich schon gleich zu Anfang widerborstig geworden, hätte der Meister sie nicht mit Bibelzitaten und unter Berufung auf die »Gewohnheiten unserer Urväter« besänftigt, sie überzeugt, daß nichts Verwerfliches daran sei, gleichzeitig mit mehreren Frauen zu leben. Die so zur Einsicht gebrachte, japsende Hansi hat also die viel jüngere und hübschere Verwandte im Hinblick auf die Gewohnheiten unserer Stammesväter tatsächlich wochenlang im Keller geduldet, doch als der Meister die attraktivere Blutsverwandte allzu häufig und bevorzugt »zu sich nahm«, blinkte auch in Hansis trübem, beinahe stockfinsterem Bewußtsein ein Warnlichtlein auf, in ihr erwachten Zweifel, ob Telkes die Auslegung der Bibel nicht doch ein wenig zu frei handhabte. Da tat Hansi eines Tages wie Bileams Eselin, um bei den biblischen Gleichnissen zu bleiben, das Maul auf und äußerte laut und überraschend: »Die Urväter sind Schweine«, und sie habe »jetzt endlich die Nase voll«. Die verwandte Weibsperson zog bald darauf aus dem Keller fort, und Herr Telkes war wieder mit seiner Hansi allein. Mit vielleicht von der Schwindsucht, vielleicht aus anderen Gründen glänzenden Augen und viel stiller eilt der fromme Mann jetzt durch die Gassen des Viertels, obwohl er auch weiterhin auf seine Art biblische Botschaften verkündet und auslegt, Zwiesprache mit Gott hält und Eingaben gegen das Gendarmeriekommando von Máriabesnyő macht.
    Wir berichten darüber, weil auch dieses Geschehnis zur Welt gehört, die wir hier um Tschutoras Andenken herum stückweise wiederaufrichten. All das ist ja lange her, und der Staub, den die Geschichte einst aufwirbelte, hat sich längst auf das

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