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Ein Hund mit Charakter

Ein Hund mit Charakter

Titel: Ein Hund mit Charakter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sándor Márai
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Ereignis gelegt und es mit einer dicken Schicht des Vergessens zugedeckt.
    Selbst aus dem unangenehmsten Erlebnis wird erschreckend schnell Erinnerung; Hansi denkt vielleicht gar nicht mehr daran, daß sie einst leiden mußte, weil Herr Telkes die Bräuche unserer biblischen Väter neu beleben wollte. – Dieser sonderbare Mensch wird Tschutoras erster richtiger Freund draußen in der großen Welt. Über den engen Zauberkreis hinaus, den die Familie bildet, hat Tschutora mit nur wenigen Menschen unmittelbaren Kontakt. Vielleicht ist es der warme, rohe, wohlig benebelnde Geruch der Werkstatt, vielleicht der salbungsvolle, etwas schleppende Tonfall des Meisters, der Tschutora so für ihn einnimmt; es gab eine Zeit, da der Hund mit eifersüchtiger, plötzlich auflodernder Zuneigung die Gesellschaft von Herrn Telkes suchte, nicht einmal mit der Peitsche hätte man ihn von der Schwelle der Werkstatt vertreiben können, er stürzte sich auf eigene Faust in Aktionen, schlich in unbewachten Augenblicken aus der Wohnung und fand sich erst nach Stunden wieder ein, mit verklärtem Blick, berauscht vom Leimgeruch, und mit ganzen Klumpen aus Hobelspänen im Fell vom verzückten Wälzen unter den Werkbänken. Der Herr sah nachsichtig über diese Leidenschaft hinweg, da er sich selbst nicht ganz dem Reiz entziehen kann, der von der Werkstatt dieses gottergebenen Menschen ausgeht; so geschieht es zuweilen, daß er in Tschutoras Gesellschaft ganze Vormittage dort unten verbringt. Sie schnuppern beide mit sinnlichem Genuß die angenehmen, sauberen Gerüche von Telkes’ altehrwürdigem Handwerk, lauschen dem Blubbern des Leimtopfs auf dem Feuer, dem ansteigenden und abfallenden Sang der elektrischen Säge, den säuselnden Vorträgen des bärtigen Mannes über die eherne Schlange und ewige Jugend. Seine Hände verrichten unterdessen die niedere Arbeit wie zwei geschickte, biedere Handwerksburschen, die dem Gequassel ihres spleenigen Meisters keinerlei Aufmerksamkeit schenken.
    Denn es soll nicht unerwähnt bleiben, daß Herr Telkes sein Handwerk versteht und auch liebt, er kennt den Stoff, mit dem er arbeitet, dieses duftende, freundliche Material, durch das einst die Säfte geströmt und in dem selbst nach dem Absterben die Gesetze des Lebens wirksam geblieben sind. Es ist ein Hochgenuß, dem Meister zuzuhören, wenn er bei seinen Reden gelegentlich vom ewigen Leben abläßt und mit einem sauber gehobelten Eichenbrett in der Hand die Eigenschaften der Ungarischen Eiche preist, ihr besonderes Verhalten, die physikalischen Reaktionen nach ihrem Tod erklärt, wenn er zeigt, wie das trockene Material noch nach der Bearbeitung »schrumpft«, sich »ausdehnt«, »zu arbeiten beginnt«, wie es »sich wirft«, was natürlich bei einem Tisch oder Schrank keine Freude macht. Und in der Tat, er hält das von ihm gewählte Material so zärtlich und selbstverständlich in Händen wie dazumal irgendein Urmeister, der einer form- und leblosen Materie für alle Zeiten Form gab und Leben einhauchte. Stundenlang kann der Herr den Bewegungen folgen, denn was ist schöpferisches Tun anderes, als einer toten Materie Form zu verleihen. Er treibt Keile ein, kappt Nägel, beugt durch einfache statische Konstruktionen der Willkür des Materials vor, und der Gegenstand wächst, entwickelt sich unter seiner Hand aus Holz, Leim, Arbeit und viel Herz, nimmt eine Form an, die der Bedarf und der Geschmack wie auch der epigonenhafte Zeitgeist diktieren. Herr Telkes äußert sich sehr zurückhaltend, nicht selten abschätzig über die Tischlergesellen von heute, die sich ihr Handwerk in Fabriken aneignen müssen und vielleicht niemals etwas vom Verhalten der Ungarischen Eiche oder der Tatrafichte in ihrem toten Zustand, als Holz, gehört haben; er arbeitet meist für sich allein, wie es sich für den wahren Meister gehört, schafft und gestaltet mit seinen beiden Händen, weil er ein Handwerker ist, zu den letzten Exemplaren einer aussterbenden Spezies gehört, der jedem Werkstück, das er aus der Hand gibt, etwas von seiner gestaltenden Kraft eingehaucht hat. Und wenn wir auch bislang über ihn um der Literatur willen eher spöttisch, also mehr über die deprimierenden und herausfordernden, über die einfältigen und traurigen Wahnideen berichtet haben, so ziemt es sich doch, nun im Propheten auch den engagierten, fleißigen Menschen, diesen wahren Meister zu würdigen, der vom Wert seiner Arbeit überzeugt ist, sie stets mit Hingabe und Ehrfurcht ausführt. Herr

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