Ein Hund mit Charakter
die armseligste der Mietparteien mit Verachtung straft, die Ursache ist schwer zu ergründen. Höchstwahrscheinlich bedarf der Haß sowenig wie die Liebe eines Vorwands, sondern ist eine der Gemütsbewegungen des Lebens, die um ihrer selbst willen existieren. Die Verwirrung und Desorientiertheit, die Zsombolyas Stirn ständig umwölken, würden vielleicht explosionsartig aus der bedrückten Seele des Hausbesorgers hervorbrechen, wenn ihn einmal jemand nach der Ursache des Hasses fragte, den er gegen Telkes hegt. Sie träumen vermutlich auch voneinander und schnauzen sich im Schlaf zähneknirschend an; das sagen wir nicht unüberlegt und ohne jedes Verantwortungsbewußtsein so dahin, vielmehr stützen neueste medizinische Erkenntnisse unsere Vermutung, denn Zsombolya hatte kürzlich eine eitrige Zahnfleischentzündung und büßte infolgedessen einen Teil seiner oberen Zahnreihe ein. Zahnärzte kennen diese verhängnisvolle Komplikation, die sich Pyorrhea nennt und teilweise auf Zähnefletschen und Zähneknirschen im Schlaf zurückzuführen ist, und zwar aufgrund irgendwelcher Zwangsvorstellungen. Heulen und Zähneknirschen also, wohin wir schauen; wir träumen voneinander, und der Haß läßt uns sogar die Zähne ausfallen … Was in Tschutoras Leben der namenlose Bluthund ein paar Häuser weiter unten am Rostfriedhof, ist in Herrn Zsombolyas Dasein der Tischler Telkes: sein Erzfeind nämlich. Nein, einen »Grund« hat dieser Haß nicht; er blubbert aus dem Schmelztiegel der Seele mit Zischen und Gestank hoch und vergiftet mit seinem Hauch für zwei Menschen die ganze Welt. Es würde zu weit führen, wollten wir jetzt zu ergründen versuchen, welcher Balance, welchem moralischen oder materiellen Gleichgewicht der Haß, diese dunkle Kraft, in der Welt der Lebenden dient. Herr Telkes empfindet Herrn Zsombolya als irdisches Fegefeuer, doch folgen wir ihm besser nicht auf dieses Terrain. Müssen wir doch gestehen, daß wir von der Natur menschlicher Gemütsbewegungen keine Ahnung haben, doch selbst der Spezialist kann allenfalls die Erscheinung selbst ertasten; die Seele besitzt so etwas wie eine sensible Hülle, sie mit der Sonde zu beschädigen wäre ein gefährliches und verantwortungsloses Unterfangen. Aber haben wir nicht alle irgendeinen Urfeind, unter dessen unbegreiflichem Haß wir ein Leben lang leiden? Herr Telkes jedenfalls leidet. Und vermutlich irren wir uns nicht in der Annahme, daß auch Zsombolya leidet.
Es genügt, wenn sie sich im Vorbeigehen auf der Straße erblicken, um diesen quälenden Zwang auszulösen, der sie aufeinander losgehen läßt. Nicht nur die Liebe hat diese Anziehungskraft, sondern auch der Haß. Ihr Zusammenprall gleicht einer Naturerscheinung. Der gedrungene Zsombolya mit seinen kurzen, flinken Beinen, dem frech hochgeschobenen Hut, den Mantel lässig über die Schulter geworfen, verläßt gerade die Hausbesorgerwohnung und macht sich zu seiner Werkstatt auf, als auch der Tischler aus dem Keller tritt. Er trägt wie immer seine Pelzmütze und den blauen Overall … Zsombolya kann gar nicht anders, sobald er seiner ansichtig wird, muß er ausspucken. So weit ist es mit ihnen gekommen. Wie der Verliebte an seiner Angebeteten alles liebt, auch ihre Fehler, so haßt Zsombolya an Herrn Telkes alles, seine Pelzmütze, den dunkelblauen Overall, er haßt seinen Bart, die fiebrig flackernden Augen, sein Handwerk, buchstäblich alles. Offenbar verlangt jede große Leidenschaft den ganzen Menschen, völlige Hingabe; nur Feige und Gleichgültige geben sich auch mit einem wohlfeilen Kuß, einer einfachen Flegelei zufrieden. Wie diese beiden sich anstarren, von Sinnen vor Haß, der ihr Leben, ihre Träume beherrscht, ist es unmöglich, nicht an zwei Hunde zu denken, die bei jeder Begegnung dieselbe namenlose, unergründliche Macht zwingt, stehenzubleiben, sich zitternd und winselnd zu beschnuppern und schließlich ohne ersichtlichen Grund mit gefletschten Zähnen und beglückender Wut übereinander herzufallen … So stehen sich auch Herr Telkes und Herr Zsombolya gegenüber, erstarrt, sich gegenseitig messend. »Und der Mist da oben«, zischt Zsombolya Telkes zu, »der kommt mir runter!«
Er deutet auf die Tafeln, die den Kellerabgang umgeben und auf die jene erhebenden Aufrufe gepinselt sind, deren Texte Herrn Telkes der liebe Gott höchstpersönlich eingegeben hat. Zsombolya, voll Mißgunst und Eifersucht, haßt – was nur natürlich ist – auch diese Tafeln. Herr Telkes gönnt ihm keine
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