Ein Hund mit Charakter
Telkes betreibt unten im Keller eines der ältesten und wichtigsten Gewerbe der Menschheit; Tschutora und sein Herr beobachten, jeder für sich, interessiert und auf seine Weise, dieses Phänomen, das in unserer Zeit immer seltener wird: einen Menschen, der in seiner Welt fest und sicher auf beiden Beinen steht und seinem Beruf, den er beherrscht und hervorragend zu praktizieren weiß, die Treue hält.
Tschutora faszinieren hier vor allem die Gerüche, die sich in der Werkstatt fast zu Materie verdichten und als Schicht ablagern. Dem Hund gegenüber hat der Meister einen gewissermaßen routinemäßigen Standpunkt verständnisvoller Nachsicht, doch es fehlt nicht viel, und er setzt sich auch für Tschutoras Seelenheil ein. Gelegentlich hat er sogar die Kleinlichkeit des Schöpfers beklagt, dem Allmächtigen das jämmerliche Schicksal der seelenlosen Geschöpfe vorgehalten und mit ihm gehadert, weil er den Tieren die Seele vorenthalten hat.
Die Aufmerksamkeit und Vernunft, mit der Tschutora die profanen Klagen verfolgt, muß Herrn Telkes den Eindruck vermitteln, daß sein Lamento unberechtigt ist. Uns reicht dies bißchen Seele, sagt der Herr dann in Tschutoras Namen beim Händeschütteln zum Abschied, und der Meister ergreift noch schnell, bevor er den Segen des Herrn für die Weggehenden erfleht, die Gelegenheit, auch ein praktisches Anliegen anzubringen, etwa die Miete oder das Gendarmeriekommando von Máriabesnyő betreffend – denn das ist eine weitere der zahlreichen fixen Ideen von Herrn Telkes, daß Tschutoras Besitzer auch der Hausherr ist. Von der Wirklichkeit, die bedauerlicherweise anders aussieht, läßt er sich nicht mehr überzeugen. Trotz mehrerer Richtigstellungen hält er eisern daran fest, mit Tschutoras Gebieter zugleich den Herrn über Keller und Dachboden vor sich zu haben, aus ebendiesem Grund wendet er sich mit jeder Klage und Beschwerde über den Hausbesorger Zsombolya, der ihm ein großes Ärgernis ist und für ständige Verbitterung sorgt, an ihn.
Denn auch an der anderen Front des Hauses, in der Logodistraße, gibt es einen Keller, und dort arbeitet ebenfalls ein Handwerker – mit einem weniger sympathischen und duftenden Material als Herr Telkes, dafür um so leidenschaftlicher und mit verbissener Verzweiflung, als müßte er den Widerstand von Eisen und Stahl nicht nur mit Hammer und Körperkraft brechen, sondern mit dem unbeugsamen Trotz seines Wesens und Charakters. Hier also wirkt der ständig bedrückte Hausbesorger, er ist Schlosser und Monteur, und auch er zählt zu Tschutoras Freunden in der großen Welt. Zsombolya, ein sonderbarer Mensch, leidet unter eigenartigen Assoziationen und trägt, im Gegensatz zum katholischen Frömmlertum des Herrn Telkes, den trotzigen und vorsichtig aufbegehrenden Geist des ungarischen Kalvinismus in sich. Er ist Sproß einer alten Adelsfamilie und betreibt den Hausbesorgerposten sowie das Schlosserhandwerk eigentlich nur für eine Übergangszeit von vier bis fünf Generationen, für sich und seine Nachkommen, bis ihnen früher oder später irgendeine neue Weltordnung – wie sein Glaube lehrt – die Vorrechte ihres Standes zurückgibt, was leider immer zweifelhafter zu werden scheint. Einstweilen jedenfalls ist er Schlosser und Hausbesorger; auch er spricht gedämpft, doch sein Flüstern erinnert nicht an die verklärten und besessenen Predigten des Herrn Telkes. Vielmehr säuselt er leise, als wolle er einem ein Geheimnis anvertrauen – der ganze Mensch wirkt niedergeschlagen, seine Augen blicken verängstigt aus dem Gesicht hervor; er ist klein von Statur, die Beine haben es schwer mit seinem gedrungenen Körper. Zsombolyas ganzes Wesen verrät Leid und Verwirrung. Angestrengt sucht er nach Worten, die er gedämpft ausspricht, ihn plagen Bilder, und beim Sprechen drängen sich ihm ungewöhnliche Gedankenverbindungen auf; wie die meisten Literaten und Handwerker quält und verwirrt ihn diese so komplizierte ungarische Sprache mit ihren verwickelten Wort- und Satzgebilden. Der Herr hört ihm mit Geduld und Mitleid zu, wenn sie sich über den Weg laufen – die einfachsten Sachverhalte, einen Rohrbruch, eine Krankheit, kann er kaum in Worte fassen, die Zunge verhaspelt sich, Assoziationen drängen sich in den Vordergrund und beginnen einen schwindelerregenden Rundtanz. Zsombolya haßt Herrn Telkes – weiß Gott, warum; ob der Kalvinist in ihm den Katholiken, der gestrauchelte Adelige den Bauern, der Schlosser den Tischler oder der Hausbesorger
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