Ein Hund namens Gracie
eine Musik in den Untertönen, die sie von sich gaben! -, die Gracie nie mit Mark oder mir haben könnte. Aber ich war nicht eifersüchtig. Ich empfand Ehrfurcht und Dankbarkeit, dass Wesen miteinander in Stimmen sprechen, die sie nicht zu hören vermögen, und dass sie die sie umhüllende Stille durchbrechen können. Gnade ist es, die das ermöglicht.
»Gracie.« Ich wäre fast zusammengezuckt. Garys Mutter stand neben mir und sah den beiden zu. »Das ist ein guter Name für sie.« Ich sah ihr in die feuchten Augen und sie lächelte. Es war ein wunderschönes Lächeln auf einem Gesicht, von dem ich annahm, dass es schon mehr als eine Träne gespürt hatte.
»Ja.« Ich nickte und sah mir an, wie Gracie ihre Schnauze in Garys Ohr drückte.
Garys Mutter lachte. »Sie erzählt ihm ein Geheimnis.«
Ich lächelte und nickte wieder. Was für ein Geheimnis konnte das sein? In dem Moment, in dem sich mir diese Frage stellte, hatte ich es auch schon. Es war dasselbe Geheimnis, das Gracie mir durch jede ihrer Handlungen vermittelt hatte, von dem Tag an, an dem wir uns begegnet waren, an allen Tagen der Geschäftseuphorie, des Ringens um Aufrechterhaltung unserer Bäckerei, der harten Arbeit, der andauernden Sorgen. Ein stilles Geheimnis, das so klar wie eine Glocke klang, wenn ich nur zuhörte: Du bist vollständig. Dir fehlt nichts. Du hast alles, was du brauchst. Du bist gut.
Gracies Sternstunde
M anche Leute kommen mit Ruhm nicht gut klar. Die Schmeicheleien und Aufmerksamkeiten steigen ihnen zu Kopf, sie werden wie Babys und denken, die ganze Welt drehe sich nur um sie. Ganz bestimmt würde es mir so gehen, wenn mich irgendwer lang genug verwöhnte.
Gracie ging es nicht so. Ihr Aufstieg zu nationaler Berühmtheit glich dem Wachstum des Geschäfts, das sie ins Leben gerufen hatte. Unsere Werbung bekamen wir gratis, meistens durch Zeitungsleute, die Gracie gerne fotografierten und die Idee frischer und biologisch-dynamischer Nahrung für Hunde ziemlich witzig fanden. Es kam so weit, dass ich zusammen mit Gracie kaum die Hauptstraße von Kansas City hinunterlaufen konnte, ohne von Hunden und Menschen gleichermaßen wahrgenommen und begrüßt zu werden. Ich fühlte mich wie eine Berühmtheit, jedenfalls in Kansas City.
Dann, gegen Ende des vierten Geschäftsjahres, veröffentlichte das Wall Street Journal einen Bericht über uns. Die Three Dog Bakery schaltete in den zweiten Gang, und damit wuchsen Gracies Zuständigkeitsbereiche als Begrüßerin, Beschnüfflerin und Sprecherin der Hunde (jedenfalls den anderen Hunden gegenüber). Unser Versandhandel blähte sich sehr schnell auf das Zehnfache auf. Das Magazin Entrepreneur brachte einen Artikel über uns in ihrer Reihe Unwahrscheinliche Erfolgsgeschichten, und dann - Wunder aller Wunder - lud uns Oprah Winfrey persönlich in ihre Show ein! In der Sendung hielt sie ein Keks in die Luft, roch daran, zählte die Zutaten auf und biss ab. Diesen Moment werde ich nie vergessen. Erstens, weil nur Oprah ein solches Selbstbewusstsein haben kann, Hundekuchen vor einem Millionenpublikum zu kosten, ohne sich Sorgen zu machen, was die Leute davon halten, aber zweitens, und noch wichtiger, weil Oprah all den Hundebesitzern unser grundlegendes Prinzip demonstrierte: Wenn es für uns nicht gut genug ist, dann ist es auch nicht gut genug für unseren Hund.
Leider wurden wir vor unserem Auftritt bei Oprah nicht so rechtzeitig benachrichtigt, dass wir die Hunde mitbringen konnten, deswegen musste das Publikum Gracie, Sarah und Dottie über den Satelliten kennen lernen. Doch seit sie in der Show zu sehen gewesen waren, bekamen die Mädchen noch mehr Aufmerksamkeit. Jetzt schrieb man in allen Zeitschriften und Zeitungen in ganz Amerika über uns. Das waren eine Menge Interviews, auf die die Mädchen sehr unterschiedlich reagierten. Sarah und Dottie machten sich rar, entweder weil sie plötzlich entdeckt hatten, dass sie schüchtern waren (nicht sehr wahrscheinlich), oder weil sie ihren Ruf nicht durch Kontakte mit »den Medien« ruinieren wollten (sehr viel wahrscheinlicher). Gracie schien die Aufmerksamkeit jedoch zu gefallen. Sowie sie sah, dass ein Mikrophon in meine Richtung gehalten wurde, heftete sie sich an meine Seite. Zehn
Minuten lang hielt sie sich dann vornehm zurück, aber danach ließ sie ein einziges kehliges »Woof!« hören, um den freundlichen Reporter wissen zu lassen, dass wir genug hatten: Okay, heute, noch eine Frage, und das war’s! Deswegen war ich
Weitere Kostenlose Bücher