Ein Hund zu Weihnachten
Hayley den Hund auch schon aus dem Zwinger geführt. Sie gab den Befehl »Sitz!«, und er gehorchte. Er blieb ruhig sitzen, als Todd ihm mit den Fingern durch das graumelierte Fell in seinem Nacken strich. Dann hockte sich Todd hin, sodass er mit dem Hund auf gleicher Höhe war, und sah ihm in die Augen. Es waren freundliche grüne Augen, die Geduld und Klugheit ausstrahlten.
Nachdem Todd ihn von Kopf bis Fuß gemustert hatte, legte Hayley dem Hund ein Kettenhalsband um. Plötzlich wurde er ganz aufgeregt, als hätte er verstanden, dass die Wahl auf ihn gefallen war. Hayley befestigte eine Leine am Halsband und führte ihn ein paar Schritte in die eine und dann ein paar Schritte in die andere Richtung. Er benahm sich nicht wie ein Tier, das lange Zeit in einem Zwinger verbracht hatte. Dann gab Hayley ein paar Kommandos und machte entsprechende Gesten dazu. Zuerst streckte sie ihm ihre Handfläche entgegen, wie ein Verkehrspolizist, der ein Auto anhält. Dann drehte sie langsam das Handgelenk nach unten, sodass ihre Finger auf den Boden zeigten. Dazu wiederholte sie den Befehl »Sitz!« Der Hund setzte sich hin. Danach machte sie eine Bewegung, als wollte sie etwas in eine Tasche stopfen, und sagte: »Platz!« Der Hund legte sich auf den Bauch. Sie sagte: »Bleib!«, ließ die Leine fallen und ging weg. Nach zehn Schritten drehte sie sich um. Er hatte sich nicht von der Stelle gerührt. »Er kann sich noch gut an alles erinnern, auch wenn er schon ein bisschen steif in den Knochen ist.«
Todd beugte sich zu dem Hund hinunter, streichelte ihn und fuhr mit den Händen über seine Rippen. »Er ist dünn. Frisst er normal?«
»Ja. Aber ich glaube, er hat eine lange Reise hinter sich und sicher ein paar Mahlzeiten ausgelassen.«
Todd schob das Fell des Hundes auseinander und fand ein paar raue Stellen und eine Narbe, die erst frisch verschorft war. Er winkte Hayley zu sich und zeigte ihr die Wunde. Sie kniete sich hin und sah sich die Stelle genauer an. »Wir tun was drauf.« Dann warf sie Todd einen anerkennenden Blick zu. Offensichtlich hatte er etwas Wichtiges bemerkt, das sogar ihr entgangen war.
Todd stand auf, verschränkte seine Arme vor der Brust wie ein kritischer und erfahrener Hundezüchter und fragte mich: »Was meinst du, Dad?«
Ich ging zweimal um den Hund herum und zählte vier Pfoten, einen Schwanz und auch alle anderen notwendigen Körperteile. »Er gefällt mir ausgezeichnet«, erklärte ich.
Todd grinste fröhlich und deutete entschlossen auf das Tier. »Wir nehmen ihn.« Wie auf Kommando sprang der Hund auf und wollte zum Ausgang laufen. Hayley ergriff die Leine und hielt ihn zurück. Ich verlor keine Zeit und bekräftigte noch einmal die Bedingungen unserer Abmachung. »Wann bringen wir ihn zurück, Todd?«
»Wir bringen ihn am 26. Dezember zurück, Dad. Dann ist Weihnachten vorbei.« Ich sah Hayley an, um ganz sicherzugehen. Sie lächelte und nickte.
Ein paar Tage zuvor waren Todd und Mary Ann in die Stadt gefahren und hatten von Todds Taschengeld eine Leine und ein Halsband gekauft. Passend zur Jahreszeit hatte Mary Ann ein grünes Halsband mit roter Leine vorgeschlagen. Sie hatten ein Halsband mittlerer Größe gekauft, das Todd jetzt aus seiner Jackentasche zog und dem Hund problemlos über den Kopf streifte. Hayley schloss die Zwingertür hinter uns, und Todd führte den Hund an der weihnachtlichen roten Leine in den Eingangsbereich des Tierheims.
Wir kamen dabei noch einmal an allen Hunden vorbei, und es tat mir leid, dass sie nicht auch über Weihnachten ein anderes Zuhause gefunden hatten. Für einen kurzen, schwachen Moment dachte ich daran, zwei Hunde mitzunehmen, aber ich hatte einen Ruf zu verlieren, also ging ich weiter. Wir füllten ein paar Formulare aus, und Hayley strich dem Hund eine Salbe auf die Wunde.
Nachdem wir uns bei ihr bedankt hatten, verließen wir mit unserem neuen Freund das Tierheim. Der kalte Winterwind verschlug mir den Atem, aber ich brachte trotzdem eine Frage heraus: »Möchtest du einen Namen für ihn aussuchen?«
»Hab ich schon«, antwortete Todd zu meiner Überraschung, während er eilig zum Wagen lief.
»Und welchen?«
»Er soll ›Christmas‹ heißen.« Todd öffnete die Wagentür, und Christmas sprang augenblicklich hinein. Todd kletterte neben ihn, und ich setzte mich hinter das Steuer. Ich fühlte mich seltsam zufrieden und entspannt neben diesem warmen, wuscheligen Geschöpf, das es sich da zwischen mir und meinem Sohn gemütlich gemacht
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