Ein Hut voller Sterne
eine anständige Farmerstochter, die aufbrach, um auswärts zu arbeiten. Es musste genügen.
Sie sah auch den spitzen Hut auf ihrem Kopf, obwohl sie ganz genau hinsehen musste. Er war wie ein Schimmern in der Luft und sofort wieder verschwunden, kaum hatte sie ihn gesehen. Deshalb war Tiffany wegen des neuen Strohhuts ein wenig besorgt gewesen, aber die beiden Hüte durchdrangen sich einfach; der eine störte den anderen nicht.
Vielleicht lag es daran, dass der spitze Hut in gewisser Weise gar nicht da war. Er blieb unsichtbar, bis es regnete. Sonnenschein und Wind drangen hindurch, aber Regen und Schnee sahen ihn irgendwie und behandelten ihn so, als wäre er tatsächlich da.
Tiffany hatte ihn von der größten Hexe auf der Welt bekommen, einer wahren Hexe mit schwarzem Kleid, einem schwarzen Hut und Augen, deren Blick so durch einen hindurchging wie Terpentin durch ein krankes Schaf. Es war eine Art Belohnung gewesen. Tiffany hatte Magie vollbracht, richtige Magie. Bevor sie das getan hatte, hatte sie überhaupt nicht gewusst, dass sie dazu imstande war. Als sie es getan hatte, war ihr gar nicht klar gewesen, was sie tat. Und nachdem sie es getan hatte, wusste sie nicht, wie sie dazu fähig gewesen war. Jetzt musste sie das Wie lernen.
»Sehe mich nicht«, sagte sie. Die Vision von ihr — oder was auch immer es war, denn sie wusste nicht genau, was es mit diesem Trick auf sich hatte — verschwand.
Beim ersten Mal war dies eine große Überraschung für sie gewesen. Aber sie hatte es immer als leicht empfunden, sich selbst zu beobachten, zumindest in ihrem Kopf. Alle ihre Erinnerungen waren wie kleine Bilder von ihr selbst, wie sie Dinge tat oder beobachtete, anstatt das zu zeigen, was sich vor den beiden Löchern in ihrem Kopf befand. Ein Teil von ihr beobachtete sie immer.
Fräulein Tick — eine andere Hexe, mit der man leichter reden konnte als mit jener, von der Tiffany den Hut bekommen hatte — meinte, eine Hexe müsse »beiseite treten« können. Sie hatte ihr gesagt, sie würde mehr herausfinden, wenn ihr Talent wuchs, und Tiffany nahm an, dass »sehe mich« dazugehörte.
Manchmal glaubte Tiffany, dass sie mit Fräulein Tick über »sehe mich« sprechen sollte. Es fühlte sich an, als verließe sie ihren Körper mit einer Art Geisterkörper, der umhergehen konnte. Es funktionierte, solange sie nicht den Blick senkte und sah, dass sie nur ein Geisterkörper war. Wenn das geschah, geriet ein Teil von ihr in Panik, und dann fand sie sich sofort in ihrem richtigen Körper wieder. Schließlich hatte Tiffany entschieden, dies für sich zu behalten. Es war auf jeden Fall ein guter Trick, wenn man keinen Spiegel hatte.
Fräulein Tick war so etwas wie eine Hexensucherin. Auf diese Weise schien das mit der Hexerei zu funktionieren. Einige Hexen hielten magisch nach vielversprechenden Mädchen Ausschau und fanden eine ältere Hexe für sie, die sich um sie kümmerte. Die alten Hexen brachten den jungen nicht bei, wie man hexte. Sie zeigten ihnen, wie man wusste, was man tat.
Hexen waren ein wenig wie Katzen. Sie mochten sich gegenseitig nicht besonders, wussten aber gern, wo sich all die anderen Hexen aufhielten, nur für den Fall, dass sie sie brauchten. Und vielleicht brauchte man sie für den freundschaftlichen Hinweis, dass man zu gackern begann.
Hexen fürchteten kaum etwas, hatte Fräulein Tick gesagt, aber was die mächtigen unter ihnen fürchteten — auch wenn sie nicht darüber sprachen —, war, auf den falschen Weg zu geraten. Es war so leicht, achtlose kleine Grausamkeiten zu begehen, weil man Macht hatte und andere Leute nicht. Es war so leicht zu glauben, dass andere Leute nicht weiter wichtig waren und dass Konzepte wie Richtig und Falsch für die eigene Person keine Rolle spielten. Am Ende jenes Weges geiferte und gackelte man allein in einem Pfefferkuchenhäuschen und ließ sich Warzen auf der Nase wachsen.
Hexen mussten wissen, dass andere Hexen sie beobachteten.
Deshalb der Hut, dachte Tiffany. Sie konnte ihn jederzeit berühren, vorausgesetzt, sie schloss die Augen. Er war eine Art Erinnerung.
»Tiffany!«, rief ihre Mutter die Treppe hinauf. »Fräulein Tick ist hier!«
Am vergangenen Tag hatte sich Tiffany von Oma Weh verabschiedet...
Hoch oben im Hügelland steckten die eisernen Räder der alten Schäferhütte halb im Boden. Der Kanonenofen stand noch immer schief im Gras, und Rost hatte ihn rot werden lassen. Die Kalkhügel beanspruchten Räder und Ofen für sich, so wie sie
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