Ein Jahr – ein Leben
ich koche. Als Oliver Anfang 20 war, musste er sich von diesem Ritual befreien, ganz klar, es wurde ihm zu viel. Also ist er über Weihnachten nach New York, das volle Programm, tata! Im nächsten Jahr hat er wieder mit uns gefeiert.
Es gibt keine Verpflichtung?
Nein, jeder ist freiwillig dabei und spielt mit.
Sie sehen es als Spiel.
Aber ja! Letztlich spielen wir alle gemeinsam noch einmal Kindheit, auch ich. Aber niemand empfindet es als albern. Ich liebe solche Rituale, genauso wie ich gerne Geburtstag feiere. Es ist doch schön, wenn man die Menschen um sich hat, die man mag, die einem wichtig sind. Wir leben in so unruhigen Zeiten und unruhigen Berufen, wir haben so selten Gelegenheit, unsere Freundschaften zu pflegen, indem wir uns wirklich sehen und Zeit miteinander verbringen.
Machen Sie an Silvester Pläne?
Grundsätzlich, ja. Ich will auch an Silvester das ganze Ritual zelebrieren. Ich will mich verabschieden vom alten Jahr, und ich will das neue begrüßen und wie ein Kind dastehen und sagen: Die bösen Geister werden vertrieben. Deshalb muss es auch ordentlich knallen, damit die Geister keine Chance haben. Ich schaue zum Himmel und genieße das Feuerwerk. Und an Mitternacht heule ich wie ein Schlosshund.
Sie heulen an Silvester? Warum?
Ich scheine bei allen Dingen, die mir gefallen, loszuheulen. Weil das Alte vorbei ist und ich noch nicht weiß, was das Neue bringt, und ich möchte das Alte doch noch behalten, und schwupps ist es vorbei …
Nach den Feiertagen und den Skiferien: Wie beginnen Sie das neue Jahr?
Ich bin mit meinem Programm »Verbrannte Bücher, verfemte Musik« unterwegs, und gemeinsam mit meinem Kollegen Thomas Thieme habe ich einige Veranstaltungen zu einem Hörbuch, das wir vor kurzem vorgestellt haben, »Dinge, die wir vermissen werden«. Geschrieben hat es Frank Quilitzsch, Kulturredakteur bei der Thüringischen Landeszeitung, ein alter Freund von Thieme. Wir beide waren erstaunt, an einem gewöhnlichen Dienstagabend in Jena kamen 700 Leute! Jetzt noch Leipzig, Halle und weitere Städte in den neuen Bundesländern. Parallel laufen die ersten Gespräche mit der Filmakademie, um den Filmpreis vorzubereiten, der Ende April stattfindet. Und wir drehen eine Folge »Rosa Roth«.
Die Figur, die Sie nun schon seit 18 Jahren begleitet. Die erste Folge von »Rosa Roth« wurde im Herbst 1994 ausgestrahlt.
Ja, das ist eine lange Zeit, nicht wahr?
Wer ist diese Rosa Roth?
Kriminalkommissarin mit einer gewissen Sprödigkeit, auch Melancholie, sie hat kein Privatleben, höchstens hier und da einen One-Night-Stand. Aber so richtig klappt das nicht mit den Beziehungen, weil es dann doch wieder der Falsche ist. Wir wollten nach dem Fall der Mauer, nach der Wiedervereinigung, das neue Berlin erzählen. Und wir hatten tolle Kollegen dabei, Ulrich Mühe, Mario Adorf, Ulrich Tukur, Jasmin Tabatabai, Sebastian Koch, Martina Gedeck. Die Drehbücher wurden oft nach wahren Geschichten entwickelt, wenn zum Beispiel der »Spiegel« aufgedeckt hat, wie aus Drittländern Blutkonserven importiert wurden, die HIV -verseucht waren. Oder unsere allererste Geschichte, die von Waffenverkäufen aus alten DDR -Beständen handelte. In Israel haben wir uns mit den Folgen des Nationalsozialismus beschäftigt, mit den Neonazis im Osten, neue Schuld, alte Schuld. Mal waren unsere Geschichten besser, mal weniger gut, aber unser Ziel war von Anfang an: Sie sollten mit dieser Hauptstadt, mit dieser Republik und ihren Befindlichkeiten zu tun haben. Und »Rosa Roth« hat sehr viel mit mir zu tun, mit meinen Interessen, es steckt viel von mir in ihr.
Thomas Thieme spielt inzwischen den beruflichen Partner von Rosa Roth.
Ich wollte jemanden auf Augenhöhe haben. Du hast eine andere Art von Auseinandersetzung beim Drehen mit einem Kollegen wie Thieme, das war eine Weiterentwicklung und funktionierte noch mal anders als mit zwei jungen Polizisten, denen die Kommissarin dauernd sagt, was sie jetzt zu tun haben.
In der Folge »Bin ich tot?«, die jetzt gerade zu sehen war, stand Körber alias Thieme im Vordergrund: Seine Tochter ist seit Jahren verschwunden, er rächt sich dafür am Ende der Folge an einem der Täter.
Was gab es wieder für Diskussionen hinterher: Ihr zeigt Selbstjustiz, die nicht einmal kommentiert wird, der Film hätte erst ab 16 freigegeben werden dürfen. Ach ja. Man möchte es bunter, alles soll strahlen, weniger radikal, weniger angreifbar.
Wie haben Sie darauf reagiert?
Ich habe nur gesagt:
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