Ein Jahr im Frühling (Cappuccino-Romane) (German Edition)
ließ sich neben Emily auf den
Stuhl gleiten. Er rieb ihr freundlich über den Rücken und fragte: „Hattet ihr
einen schönen Tag?“
„Meine Eltern haben eine Neckarschifffahrt unternommen und
ich habe mich mit Clara getroffen. Das war dringend nötig, bevor wir uns vor
lauter Männern und Kindern aus den Augen verlieren.“
Ein Schatten fiel über sein Gesicht, als er fragte: „Fühlt
ihr euch beide so eingespannt?“
Jetzt wurde Emily verlegen. „Nein, nein, aber es ist eben nicht
mehr so viel Zeit wie früher, um unsere Freundschaft zu pflegen.“ Sie schob ihm
die Speisekarte rüber und lenkte ab: „Wir haben schon gewählt, magst du auch
etwas essen?“ Er schüttelte den Kopf. „Jetzt habe ich eben schon mit den
Kindern gegessen. Sie finden es so ungemütlich, wenn ich nichts mitesse.“
Emilys Mutter nickte. „Das war bei uns auch immer so.
Deswegen habe ich so viel zugenommen, teilweise musste ich zweimal essen, weil
sie zu unterschiedlichen Zeiten nach Hause kamen.“
Josue lächelte. „Davon ist jetzt aber nichts mehr zu sehen.
Und wie hat Ihnen die Schifffahrt mit unserer weißen Flotte gefallen?“
„Es war herrlich. Wir haben ja glücklicherweise noch einen
warmen Tag erwischt, so dass wir uns draußen aufhalten konnten. Die Hänge haben
in den schönsten Herbstfarben geleuchtet und in Neckarsteinach waren wir noch
in einem ganz entzückenden Café mit Neckarblick und haben hausgemachte Torte
gegessen.“
Emily erinnerte sich, vorhin die gleiche Frage gestellt und
kaum eine Antwort bekommen zu haben. Ihre Mutter schien Josues Charme bereits
vollauf erlegen zu sein. Da fiel ihr Blick auf ihren Vater. Seine Hand klopfte
unruhig auf den Tisch und in seinem rechten Mundwinkel hatte sich ein
Dauerzucken eingenistet. Ungläubig dachte Emily, er ist eifersüchtig. Aber
natürlich musste es hart sein, wenn seine frisch zurückgewonnene Frau jetzt mit
dem Schwiegersohn in spe flirtete. Hoppla, was hatte sie da eben schon wieder
gedacht? Heimlich schaute sie Josue von der Seite an, er fing ihren Blick auf
und lächelte ihr ganz entspannt zu. Das war ja gut, wenn hier wenigstens einer
entspannt war.
Jetzt ergriff ihr Vater das Ruder. „Meine Tochter hat
erzählt, Sie sind Musiker. Haben Sie da eine Festanstellung? Ich habe mir sagen
lassen, dass Musiker doch oft stark am Existenzminimum leben müssen.“
Oh nein, Papa. Emily rang innerlich die Hände. War das die
Prüfungsfrage, ob Josue auch als Familienversorger herhalten konnte?
Josue reagierte ganz gelassen. „Ich habe eine Vollzeitstelle
bei den Heidelberger Philharmonikern. Und daneben steht es uns frei, weitere
Engagements außerhalb unserer Spielzeiten anzunehmen. Ich komme also zurecht“,
erklärte er mit einem kleinen Lächeln. „Doch von Emily weiß ich, dass sie gerne
finanziell auf eigenen Beinen steht, und ich schätze ihre Arbeit im Altenheim
sehr.“ Damit signalisierte er, dass er die Intention ihres Vaters sehr wohl
verstanden hatte, und spielte den Ball elegant in das gegnerische Feld zurück.
„Aber zumindest ein Grundeinkommen muss es ja geben, wenn
die Frau auch einmal zuhause bleiben möchte.“
„Papa, jetzt reicht es“, zischte Emily. Doch ihr Vater hatte
seine Absicht, ihre Mutter von Josues Aussehen abzulenken und sie für seinen
Geldbeutel zu interessieren, erreicht und lehnte sich zufrieden auf seinem
Holzstuhl zurück, während er die Arme über der Brust verschränkte.
Emily fiel auf, wie spießig er gekleidet war mit seinen
Lederflicken auf den Ellbogen und dem dunkelbraunen Strickpulli.
Da bemühte sich ihre Mutter das Gespräch wieder in
harmonischeres Fahrtwasser zu lenken. „Wie alt sind denn Ihre Kinder und wie
heißen sie eigentlich?“ Josue warf Emily einen tadelnden Blick zu, als hätte
sie das bereits erzählen können, was sie ja auch getan hatte.
„Meine Große heißt Elisabeth, wir nennen sie aber nur Lizzy.
Sie kommt sehr nach ihrer Mutter und spielt auch schon gut Violine. Sie ist
sieben. Florian ist vier und ein richtiger Rabauke. Manchmal weiß ich gar
nicht, wie ich ihn bändigen kann. Aber Emily kommt sehr gut mit ihm zurecht,
fast besser als ich.“ Er küsste sie auf die Lippen. „Ja, wir bilden schon eine
richtige Familie, nicht wahr meine Kleine?“
Emily nickte, aber sie wusste nicht so recht, wie sie diese
Bemerkung finden sollte.
„Aus meiner Arbeit in der Praxis weiß ich allerdings, dass
Patchwork-Familien eine Menge Probleme mit sich bringen“, warf ihr Vater
Weitere Kostenlose Bücher