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Ein Jahr im Frühling (Cappuccino-Romane) (German Edition)

Ein Jahr im Frühling (Cappuccino-Romane) (German Edition)

Titel: Ein Jahr im Frühling (Cappuccino-Romane) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Nohl
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verlorenes Kind
     
    Emily wälzte das Vorlesungsverzeichnis. In
vierzehn Tagen würde das Wintersemester beginnen. Sie beschloss, ihren
Studienbeginn in Ethnologie noch um ein Semester zu verschieben. Sie kam sich
jetzt schon vor, als sei sie rund um die Uhr ausgebucht. Solange sie sich
ernähren konnten, war doch keine Eile geboten. Was ihr zunehmend zu schaffen
machte, waren die Arbeitstermine am Wochenende. Sie hätte gerne nur noch den
Samstag gearbeitet, damit sie den Sonntag komplett für Josue und die Kinder
frei hätte und mit ihnen entspannt Dinge unternehmen könnte. So musste sie sich
immer nach dem Mittagessen von der kleinen Familie verabschieden und war ganz
schön kaputt, wenn sie zurückkam, so dass sie schneller ungeduldig mit den Kindern
wurde, als sie wollte, wenn sie noch wach waren, lärmten oder Flo mit ihr
spielen wollte.
    Sie war jetzt bald so weit, dass sie sich erste
Stadtführungen zutraute. Allerdings hätte sie sich vorher so gerne mit David
getroffen, um einige Wissenslücken zu stopfen und auch so, weil sie ihn gerne
wiedersehen wollte. Aber er schien aus Heidelberg verschwunden zu sein und sie
hatte es bisher noch nicht übers Herz gebracht, seine Geheimnummer anzurufen.
Allerdings war sie sich nicht sicher, ob die Stadtführungen ihren
Verdienstausfall im Altenheim kompensieren konnten, aber das würde sie bald
wissen.
    Heute, am Freitagabend, war sie mit Josue verabredet. Sie
würden zu einer Vernissage gehen in einer kleinen Galerie in der Altstadt. Sie
hätte lieber die Zeit mit ihm alleine verbracht, als in unbequemen Schuhen
herumzustehen, möglichst attraktiv auszusehen und gleichzeitig noch
intelligente Kommentare zu den Exponaten von sich geben zu müssen. Immer noch
fühlte sie sich unsicher unter seinen Kollegen und Freunden, obwohl sie
natürlich gemerkt hatte, dass die auch nur mit Wasser kochten.
    Vermutlich würde Camilla auch da sein. Sie hatte schon
mindestens dreimal versucht das Thema anzusprechen. Schließlich hatte sie es
Lizzy versprochen, die sie inzwischen nur noch misstrauisch anschaute, weil sie
sich natürlich nicht vorstellen konnte, dass sich so ein Klärungsgespräch so
lange hinzog. Immer war ihr Josue elegant ausgewichen, einmal war er zu müde,
ein andermal musste er vorher noch mit Camilla sprechen – warum denn zuerst mit
ihr? Und das letzte Mal hatte er sie dadurch entwaffnet, dass er sie auf seinen
Schoß zog und offensiv küsste.
    Wenn sie nachher noch alleine etwas trinken gehen könnten,
würde sie sich diesmal nicht ablenken lassen und das Thema zur Sprache bringen.
Nein, sie war keine Frau, die sich ewig hinhalten ließ, nicht sie, Emily
Neumann.
    Jetzt blieb noch die Wahl des abendlichen Outfits, dachte
sie mit Blick auf die Uhr. Sie hatte in einem klitzekleinen Secondhandshop mit
dem treffenden Namen Déja vue ein glitzerndes Etwas gekauft. Die Farbe
changierte zwischen Schwarz und Grün, vielleicht waren etwas zu viele
Pailletten an den Rändern aufgenäht. Aber warum sollte sie nicht ein bisschen
Glamour versprühen, schließlich musste sie sich nicht verstecken. Leider hatte
sie ein, zwei, drei Kilos zugenommen. Die späten Abendessen mit Josue und den
Kindern waren ihrer Linie nicht gerade zuträglich. Sie schaffte es nicht, da
einfach nur dabeizusitzen und an einer Karotte zu nagen, schon gar nicht, weil
sie das Abendessen meist selbst zubereitete. Sie hoffte, dass der fließende
Stoff ihre beiden Schwimmringe umschmeicheln würde, und begab sich ins Bad, um
sich sorgfältig zu schminken. Vielleicht würde das heute als Kriegsbemalung
dienen müssen.
    Da klingelte es auch schon. Emily rief „Ich komme gleich“ in
die Sprechanlage. Sie zog ein kurzes schwarzes Jäckchen über das Kleid und
zwängte sich in ihre schwarzen hochhackigen Wildlederpumps, mit denen sie
schräg die Treppe hinunterstakste. Josue stieß einen kleinen Pfiff aus, als er
sie sah, und küsste sie vorsichtig, um ihren Lippenstift nicht zu verschmieren.
    „Schöne Emily, darf ich bitten“, sagte er und reichte ihr
galant den Arm. Emily stöckelte an seiner Seite und kam sich endlich mal groß
genug vor für ihren Partner. Er sah wie immer aus, als wäre er gerade einem
Modemagazin entsprungen. Sie hatte noch nie gemerkt, dass er Klamotten kaufen
ging, vielleicht bestellte er alles übers Internet? Sie bewunderte, wie er ohne
weibliche Beratung einen so hervorragenden Geschmack an den Tag legen konnte.
Er hatte ein weißes Mishumo-Hemd mit kleinem Stehkragen an,

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