Ein Jahr im Frühling (Cappuccino-Romane) (German Edition)
aufwachte, war es sechs Uhr. Sie sprang aus dem
Bett. Mist, sie musste im Altenheim anrufen, dass sie später kommen würde. Die
werden begeistert sein, dachte sie. Sie schaute ins Wohnzimmer, Josue lag immer
noch regungslos, so wie sie ihn in der Nacht zugedeckt hatte.
Sie suchte ihr Handy in der Handtasche. „Hallo, Bohni, bist
du’s? Gottseidank. Es tut mir leid, ich habe hier leider wieder einen Notfall
in der Familie und kann frühestens in drei Stunden bei euch sein. Schafft ihr
das?“
„Werden wir wohl. Mach dir keine Sorgen, deine Strafe denke
ich mir inzwischen aus. Zum Beispiel müssten bei Herrn Hicks mal wieder die
Unterhosen gewechselt werden.“
Emily seufzte. „Alles klar. Ich komme dann bald.“
Obwohl sie leise gesprochen hatte, stand Lizzy in der Tür,
immer noch ihren Daumen im Mund. Emily nahm sie mit ins Schlafzimmer und
versuchte noch ein wenig die Augen zuzumachen, um sich noch nicht der Realität
mit dem depressiven Josue im Wohnzimmer stellen zu müssen. Lizzy hatte sich an
sie gekuschelt und atmete regelmäßig. Emily bewegte sich nicht, um den kleinen
Frieden nicht zu zerstören. Dann ging die Schlafzimmertür auf.
„Mama?“ Flo nannte sie manchmal so, wenn Josue nicht dabei
war. Sie wollte lieber Emi genannt werden, aber diesmal verbesserte sie ihn
nicht. „Komm her, kleiner Mann. Hast du gut geschlafen?“ Flo nickte und sah so
süß aus, mit seinen roten Schlafstreifen im Gesicht. Er drückte sich von der
anderen Seite an Emily. Sie hoffte nur, dass Josue nicht gerade in dem Moment
zur Tür reinkommen würde, denn sie hatte das Gefühl, sich hier etwas angeeignet
zu haben, was nicht ihr gehörte. Hör auf mit dem Quatsch, tadelte sie sich
selbst. Das sind jetzt auch deine beiden Kinder, die du gerne ab und zu
genießen darfst. Schließlich hast du auch die Arbeit mit ihnen, oder nicht?
Trotzdem kam sie sich wie ein Störenfried vor und konnte nichts dagegen tun.
Sie drückte auf den Knopf, damit der Wecker endlich seiner Pflicht nachgehen
und die Uhrzeit an die Wand werfen konnte.
Schon fast acht Uhr. Sie musste dringend ins Bad, Josue
wachkriegen und ein Frühstück machen. „Ihr bleibt hier noch kurz liegen. Ich
geh schnell Brötchen holen. Was hättet ihr den gerne für eins?“
„Schokokrossi“, sagte Flo „aber ich will mit.“
„Bitte ein Milchbrötchen“, sagte Lizzy, „und ich will auch
nicht hier alleine bei Papa bleiben.“
Hilfe, was tun? Sie hatte jetzt wirklich keine Zeit, die
beiden anzuziehen und mitzunehmen. „Passt mal auf. Wenn euch langweilig ist im
Bett, deckt ihr leise den Frühstückstisch, und ich bringe euch dafür noch eine
kleine Überraschung mit. Außerdem bin ich in ein paar Minuten wieder da. Falls
euer Papa aufwacht, wird er sich freuen, euch zu sehen, versprochen!“ Sie
huschte schnell ins Bad, rannte zum Bäcker an der Ecke, nahm noch ein paar
Eier, Mehl, Apfelmus und ein Päckchen Käse mit und war schon wieder da.
Flo balancierte gerade vier Teller ins Wohnzimmer, der eine
hatte schon gefährliche Schieflage und Emily nahm ihm schnell zwei ab. Lizzy
faltete feierlich Servietten. Emily setzte Wasser für einen Kaffee auf, warf
zwei Alka-Seltzer in ein großes Glas, das sie an Josues Platz positionierte.
Dann machte sie sich an die schwierige Aufgabe, ihn zu wecken. Küssen wollte
sie ihn so nicht, also strich sie ihm die fettig gewordenen Locken aus der
Stirn und säuselte: „Aufwachen, Josue, es gibt Frühstück.“ Die Kinder standen
erwartungsvoll daneben, als er sich reckte und ein paar unverständliche Laute
von sich gab, bevor er wieder zusammensackte. Dann streichelte Lizzy seinen
Bauch, der durch das hochgerutschte T-Shirt freigelegt war, Flo zog an seinem
rechten Fuß und Emily kraulte sein Ohrläppchen. Bei so vielen Sinnesreizen
musste er wohl oder übel seinen Komazustand verlassen und öffnete langsam ein
Auge.
„Emily, was machst du hier?“, krächzte er.
„Keine Ahnung. Vielleicht nach den Kindern sehen, während du
deinen Rausch ausschläfst?“ Sie versuchte ruhig zu bleiben, denn sie musste
bald los und wollte gerne selbst noch ein Brötchen essen. „Willst du vor oder
nach dem Frühstück duschen?“
Glücklicherweise rappelte er sich auf und schlich wortlos im
Schneckentempo ins Bad.
„Kommt, wir fangen schon
an. Euer Papa kommt gleich.“ Sie riss die Fenster auf, um den restliche Mief
aus dem Wohnzimmer zu vertreiben, klappte die Couch in Ausgangsposition zurück
und brachte die Decke ins
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