Ein Jahr im Frühling (Cappuccino-Romane) (German Edition)
verabschiedet
und war mit den Kindern mit der Straßenbahn nach Hause gefahren. Seitdem hatte
Emily ihn nicht erreicht. Sie hatte keine Ahnung, wie er das mit den Kindern
arrangiert hatte, aber als sie am Montag zum Kindergarten kam, war Flo schon
abgeholt gewesen und sie war sich selten dämlich vorgekommen. Daraufhin hatte
sie sich trotzig zwei Tage nicht gemeldet. Jetzt war Freitag. Irgendetwas
stimmte hier ganz und gar nicht. Sie beschloss, heute Abend zur Wohnung zu
fahren, wenn die Kinder schon im Bett waren, um mit Josue zu reden.
Auch nach mehrfachem Klingeln hatte sich nichts gerührt in
der Wohnung, obwohl das Licht brannte. Mit zitternden Händen schloss sie die
Haustür auf und stieg langsam das Treppenhaus hoch. Hinter der Tür hörte sie
ein leises Weinen, das musste Lizzy sein. Nun bebten ihre Hände so sehr, dass
sie kaum den Schlüssel in das Loch brachte. Doch da ging schon die Tür auf.
Dahinter stand Lizzy ganz undamenhaft mit verfilzten Haaren. Es roch nach ungewaschenem Geschirr und kaltem
Zigarettenrauch. Lizzy st ürzte auf Emily zu und klammerte sich fest.
Emily nahm sie auf den Arm und drückte sie.
„Lizzy, meine Kleine, was ist denn los?“
„Komm schnell, Papa geht es gar nicht gut.“ Sie zog Emily
ins Wohnzimmer. Zwischendurch musste sie über verstreut herumliegendes
Spielzeug und Fastfood-Packungen steigen. Wie konnte denn in wenigen Tagen ein
solches Chaos entstehen, fragte sich Emily und befürchtete das Schlimmste.
„Wo ist Flo?“
„Er schläft, ich habe ihn ins Bett gebracht und ihm noch was
vorgelesen. Da hat er aufgehört zu weinen.“
„Och Lizzy, du bist echt eine liebe Maus.“ Lizzy nickte. Das
konnte wirklich nicht sein, dass sie schon so erwachsen sein musste.
Da lag Josue. Ein Arm und ein Bein hingen über den Rand der
Ledercouch. Sein Kopf war über die Armlehne hinausgerutscht und zurückgefallen.
Er schnarchte. Um ihn verteilt lagen viele, viele Weinflaschen und auch einige
Flaschen mit härteren Sachen. Ihr blieb fast das Herz stehen. Wenn das
Jugendamt das hier sehen würde – um Himmels willen. Sie setzte sich zu ihm und
legte ihre Hand auf seine schlaffe Hand. Er stank aus allen Poren, nach Alkohol
und Schweiß und Tabak. Dann sah Emily auch den überquellenden Aschenbecher. Er
hatte alle Prinzipien über Bord geworfen und in der Wohnung geraucht. Es musste
ihm wirklich schlecht gehen.
„Du hättest mich anrufen sollen, du blöder Kerl“, sagte sie
unter Tränen. „Wir hätten das gemeinsam hingekriegt, weißt du das?“ Am liebsten
hätte sie ihn geohrfeigt oder ihm auf die Brust getrommelt, aber sie sah
selbst, dass das wenig Sinn gemacht hätte in seinem Zustand.
Lizzy zupfte Emily am Pulli. „Wirst
du ihn jetzt verlassen?“, fragte sie ängstlich. Emily stand auf und umarmte sie
nochmals. „Nein, mach dir keine Sorgen. Ich glaube, er ist einfach nur traurig
wegen deiner Mutter.“
„Ich weiß.“ Lizzy nickte. „Das hat er manchmal und danach
geht es wieder eine Weile gut und er kauft uns immer ein großes Geschenk, wenn
es vorbei ist.“ Tja, schade, dass Josue nie von seinen Zuständen erzählt hatte,
dann wäre sie jetzt besser vorbereitet gewesen.
„Komm Lizzy, ich bring dich ins Bett. Du darfst dich jetzt
auch mal ausruhen.“ Lizzy folgte ihr dankbar ins Bad. Emily nahm sie auf den
Schoß und putzte ihr die Zähne, obwohl sie das natürlich längst selbst konnte.
Sie setzte sich an das Bett des tadellos aufgeräumten Zimmers und las ihr noch
das Märchen von Frau Holle vor, aber Lizzy war nach wenigen Seiten
eingeschlafen, den Daumen im Mund, was Emily noch nie bei ihr gesehen hatte.
Emily drückte ihr einen Kuss auf die Stirn und schloss leise die Tür. Da Josue
sowieso seinen Rausch ausschlief, beziehungsweise es ihr auch egal war, wenn er
aufwachte, da sie sowieso mit ihm reden wollte, machte sie sich erst einmal
Musik. Dann begann sie, die Wohnung in Ordnung zu bringen. Sie nahm einen
großen Müllsack und stopfte die Flaschen und Essenskartons schwungvoll zu den
Klängen der carmina Burana hinein und mit dem Abfall all ihre Wut, ihre
Ohnmacht und Verzweiflung. Josue tat ihr wirklich leid und sie hatte inzwischen
eine Ahnung davon, wie sehr man lieben konnte. Aber er musste darüber
hinwegkommen oder zumindest damit umgehen lernen, sonst hatten sie wirklich
keine Zukunft. In der Küche zog sie Frau Schmitts grüne Gummihandschuhe an und
begann zu schrubben. Sie schrubbte die Arbeitsflächen und die Spüle, sie
schrubbte
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