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Ein Jahr im Frühling (Cappuccino-Romane) (German Edition)

Ein Jahr im Frühling (Cappuccino-Romane) (German Edition)

Titel: Ein Jahr im Frühling (Cappuccino-Romane) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Nohl
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die Vorderseiten der Küchenschränke, über die achtlos Milch und
Marmelade oder Ketchup getropft war. Sie schrubbte den Fußboden, bis sie sich
selbst nicht mehr so wund anfühlte. Sie ließ sich wie damals bei Josues
Geburtstagsfeier mit dem Rücken zur Wand auf den Boden gleiten, zog die
Gummihandschuhe aus und betrachtete ihre weißgeschrumpelten Hände. Sie fand
noch eine Flasche Wein in der Speisekammer, wollte sie gerade öffnen, stellte
sie jedoch im letzten Moment angeekelt wieder zurück, als sie an Josues
verquollenes Gesicht dachte. Dann kochte sie sich einen starken Kaffee. Schlaf
würde sie heute sowieso nicht finden, dann war es auch egal, dass sie Kaffee um
diese Uhrzeit nicht mehr vertrug.
    Sie warf einen Blick ins Wohnzimmer und beschloss, hier nur
zu fegen, damit Josue nicht ausgerechnet vom Geräusch des Staubsaugers wach
wurde. Sie wechselte die CD und machte sich diesmal mit Dvoráks Cellokonzert in
h-Moll an die Arbeit. Immer wenn sie zu Josue hinübersah, stiegen ihr die
Tränen in die Augen. Selbst wenn er so entstellt dalag, war er noch schön, das
war unglaublich. Sie wischte die verschmierten Flächen sauber und machte sich
noch daran, das verdreckte Bad zu putzen. Dann sah sie auf die Uhr. Es war
inzwischen fast Mitternacht. Sie holte eine leichte Decke aus dem Schlafzimmer
und deckte Josue zu, der sich bequemer hingelegt hatte. Ein weißer
Speichelfaden floss ihm seitlich aus dem Mund. Das würde einen Fleck geben,
aber so ein Fleck war vielleicht gar nicht so schlecht, dachte sie, während sie
das Licht und die Stereoanlage ausmachte. Sie schaute nach den Kindern. Beide
schlummerten friedlich. Flo hatte alle Kuscheltiere in seinem Bett aufgebaut.
Es rührte sie zutiefst, wie die Kinder ihre eigenen Schutzmechanismen
entwickelten.
    Zögernd stand sie an der Haustür. Würden die deutlich
sichtbaren Veränderungen genügen, Josue zur Vernunft zu bringen? Wie lange
dauerten normalerweise seine Exzesse, war nach fünf Tagen Schluss? Konnte sie
ihn hier mit den Kindern allein lassen oder würde dann Lizzy wieder die ganze Arbeit
übernehmen müssen?
    Als sie sich vorstellte, wie Lizzy morgen für sich und ihren
Bruder das Frühstück machte, beschloss sie, dass sie dableiben musste. Außerdem
gab es kaum noch etwas zu essen im Haus. Sie würde morgen einkaufen müssen.
Also machte sie kehrt und ging ins Schlafzimmer. Das war unberührt. Josue hatte
also die ganze Woche auf der Couch verbracht. Sie nahm sich eins von Josues
T-Shirts aus dem Schrank, zog sich aus und schlurfte ins Bad. Sie war zu
erschöpft, um sich die Zähne zu putzen. Sie nahm in der Hoffnung auf ein paar
Stunden Schlaf noch eine von Josues Schlaftabletten aus dem Spiegelschrank und
spülte sie hinunter.
    Nachdem sie sich in die glatte Bettwäsche gekuschelt und
ihre kalten Füße auf Schlaftemperatur gebracht hatte, glitt sie in einen
unruhigen Schlaf. Sie träumte, wie Josue torkelnd durch die Straßen einer
Großstadt lief und mit verzweifelter Stimme immer wieder rief: „Kathleen, meine
Kathy, komm zurück.“ Emily hatte beide Kinder an der Hand und suchte ebenfalls
verzweifelt nach Josues Wohnung, die war nicht mehr da und sie wusste nicht,
wohin sie mit den Kindern in der fremden Stadt gehen sollte. Im Traum spürte
sie, wie eine helle Gestalt mit rotblond-gelockten Haaren sich an ihr Bett
setzte und ihr die Decke glatt strich. „Er ist ein guter Mann. Er meint es
nicht so“, sagte sie traurig.
    „Dann lass ihn los, damit er ganz bei uns sein kann.“
    „Ich habe ihn
losgelassen und ihm verziehen. Aber er kann es noch nicht, hilf ihm.“ Und schon
wurde die Gestalt ganz durchsichtig. Emily schrak hoch und setzte sich auf.
Verziehen, warum denn verziehen? Es war doch ein Unfall? Als sie an Josues
heftige Reaktion gegenüber Harry dachte, wurde ihr klar, dass sie das Thema mit
Josue noch einmal anschneiden musste, ob er wollte oder nicht. Sie hatte als
seine zukünftige Frau ein Recht darauf, die Wahrheit zu kennen, oder nicht? Sie
bohrte ihre Nase in das Kissen und roch Josues sauberen Geruch. Emily, du
siehst Gespenster. Sie war so überdreht, dass sie kichern musste, bis sie
einen Schluckauf bekam, als sie sich vorstellte, wie sie Gabriel bitten würde,
einen Exorzismus hier in Josues Schlafzimmer auszuführen. Gab es das überhaupt
in der evangelischen Kirche? Ach papperlapapp, dann musste er sich halt bei
seinen Kollegen schlaumachen, wozu hatte man denn einen Pfarrer in der
Bekanntschaft?
     
    Als sie

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