Ein Jahr im Frühling (Cappuccino-Romane) (German Edition)
zustimmend in den
Thujabüschen.
Emily stöckelte auf ihren hohen Pumps auf das Rathaus zu.
Sie eilte die Treppe hoch zum Standesamt. Die barocke Ausgestaltung mit den
türkisfarbenen Tapeten und dicken Quasten an den schweren Vorhängen fand sie
ziemlich übertrieben, aber es trug wohl zum romantischen Ambiente bei.
Vermutlich waren schon alle da. Sie begrüßte Gabriel. Seine kantigen
Gesichtszüge wirkten ganz weich vor lauter Vorfreude, er streckte ihr eine
schweißnasse Hand entgegen, die sie herzlich drückte. Dann umarmte sie Ruth.
Sie sah ungemein würdevoll aus in ihrem weinroten Samtkostüm. Ihre Haare waren
frisch geschnitten und eingedreht.
„Emily, wie schön, dass du kommst, ich war mir da gar nicht
so sicher.“ Ruth warf ihr einen prüfenden Blick zu.
„Doch, natürlich komme ich zu deiner Hochzeit. Ich freue
mich so für euch, dass ihr euch gefunden habt – und, du siehst wundervoll aus.“
Ruth lächelte dankbar. Schließlich konnte Ruth nichts dafür, dass Emily sich
heute Morgen nichts weniger hatte vorstellen können, als zu einer Hochzeit zu
gehen und glücklichen Paaren zu begegnen. Emily begrüßte das kleine Häuflein
der restlichen Gäste. Die große kirchliche Hochzeit würde in wenigen Wochen in
der neuen Gemeinde stattfinden, damit die sich gleich mitfreuen konnte. Ein
kluger Schachzug, Herr Pastor, dachte sie. Da waren Ruths Eltern und Gabriels
Eltern. Ruth und Gabriel waren Einzelkinder, deswegen gab es keine Geschwister
zu begrüßen. Wehmütig dachte sie, dass sie jetzt wohl auch ein Einzelkind war.
Sie begrüßte außerdem einen Pfarrkollegen, den Gabriel als Trauzeugen
auserkoren hatte. Er starrte sie munter mit kleinen Knopfaugen aus einem
feisten, etwas zu roten Gesicht an. Im letzten Moment kam Anna zur Tür herein.
Sie war Ruths Trauzeugin und Emily war das heute gerade recht so. Sie hätte gar
nichts bezeugen können dieser Tage. Sie umarmten sich und Emily flüsterte:
„Wo sind denn deine beiden?“
„Im Hotel. Fred schreit schon den ganzen Morgen. So schlimm
war es schon lange nicht mehr. Aber nachher kommen sie dazu.“
Emily nickte. Anna sagte noch: „Es ist so schön ruhig hier.“
Da ging bereits die Tür auf und der Standesbeamte trat herein. Er rückte
majestätisch die Unterlagen auf dem kleinen Tischchen zurecht. Dann hob er an:
„Wir haben uns hier zu dieser vorweihnachtlichen Stunde versammelt, um Sie,
liebes Brautpaar in den Stand der Ehe zu heben.“
Das schien ja einer von der altmodischen Sorte zu sein.
Emily dachte mit einem kleinen Seufzen daran, dass sie am Tag nach der Trennung
sofort das Aufgebot auf dem Standesamt zurückgenommen und die Festtafel in
Stift Neuburg storniert hatte. Ansonsten gab es keine Trennungsformalitäten.
Emily hatte keine persönlichen Dinge in Josues Wohnung gehabt.
„Es ist mit der Liebe wie mit einem Samenkorn. Man muss es
hegen und pflegen. Zu seiner Zeit wächst und gedeiht es und treibt Blüten.“
Der Mann war ja schlimmer als jeder Pfarrer. Emily driftete
in Gedanken weit weg. Josue hatte noch ein paar Mal versucht, sie anzurufen.
Manchmal hatte er auch die Kinder vorgeschickt, was Emily richtig gemein fand.
Aber sie hatte es unter Tränen geschafft, ihnen liebevoll und bestimmt zu
erklären, dass sie nicht mehr ihre neue Mutter sein konnte, weil Josue und sie
sich nicht so lieben würden, wie das eigentlich für Eltern notwendig wäre. Als
er mit den Telefonaten nicht weiterkam, hatte er ihr einen Brief geschrieben.
Sie fühlte sich geehrt, weil sie wusste, dass er nicht gerne schrieb. Aber der
Inhalt hatte sie nicht überrascht. Er hob auf die guten Zeiten ab, die sie
zusammen gehabt hatten, und die vielen guten Zeiten, die sie noch gehabt
hätten, wenn Emily jetzt nicht so überstürzt die Beziehung abgebrochen hätte.
Er setzte mehrfach an zu erklären, was sie tatsächlich gehört und was zu den
Missverständnissen geführt hätte. Dabei verstrickte er sich immer tiefer und
Emily hatte den Brief erst gar nicht zu Ende lesen können. Sie konnte es nicht
ertragen, dass er sich jetzt so demütigte und seinerseits auf Biegen und
Brechen versuchte, an der nicht mehr vorhandenen Beziehung festzuhalten.
„So stelle ich nun die entscheidende Frage: Möchten Sie,
Gabriel Mittermaier, Ruth Stockfisch zu ihrer rechtmäßig angetrauten Frau
nehmen?“
„Ja“, antwortete Gabriel mit fester Stimme.
„Und Sie, Frau Stockfisch: Möchten Sie Gabriel Mittermaier
als Ihren Mann annehmen?“
„Ja“, antwortete
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