Ein Jahr im Frühling (Cappuccino-Romane) (German Edition)
Studium auch nicht geschenkt
wurde.
Dann stürzte sie sich ins Weihnachtsgetümmel. In Heidelberg
war der Weihnachtsmarkt über die ganze Altstadt verteilt. Die Menschen standen
wegen der milden Temperaturen in offenen Jacken und brauchten den Glühwein gar
nicht, um sich die Hände zu wärmen. Dennoch floss er in Strömen.
Gerne wollte sie noch die letzten Kleinigkeiten für ihre
Lieben besorgen. Für Clara hatte sie schon einen nachtblauen Schal mit kleinen
Bommeln, der sicher gut zu ihrem selbst im Winter hellblonden Haar passen würde.
Claras Großmutter bekam ein buntes Buttermesser in Form eines Kakadus. Emily
freute sich schon jetzt, wie sie ratlos davor stehen würde, weil es zu keinem
ihrer vielen Service passen würde. Sie erstand noch ein formschönes
Geduldsspiel aus Holz für Thorsten. Vielleicht würde er sich damit in einer
einsamen Stunde die Zeit vertreiben können. Dann dachte sie daran, ob sie David
etwas schenken wollte. Sie probierte Plätzchen an einem kleinen Stand und
kaufte eine große Tüte, dazu einen Winterzauber-Tee, nur für den Fall der
Fälle. Das Päckchen für ihre Eltern war schon weggeschickt. Für ihre
Kolleginnen und Bohni im Altenheim fand sie noch jeweils einen interessanten
mundgeblasenen Teelichthalter mit kleinen Glasverstrebungen. Klein Fred bekam
einen Pilz aus Olivenholz, damit er noch etwas anderes verkosten konnte, als
die Weichmacher seines Plastikspielzeugs. Auch für Lizzy und Flo kaufte sie
nach reiflicher Überlegung zwei freundliche Handpuppen aus Filz, die sie ihnen
zuschicken würde. Frieda würde sie eine rote Rose für das Grab vorbeibringen,
wer weiß, ob sie sie nicht doch sehen konnte.
Finanziell und körperlich erschöpft lenkte sie ihr beladenes
Fahrrad in die Plöck und fuhr nach Hause, doch eine wirkliche
Weihnachtsstimmung wollte trotz der Einkäufe dieses Jahr nicht aufkommen. Erst
hatte sie überlegt, ob sie Weihnachten zu ihren Eltern fahren sollte, um nicht
ganz alleine zu sein. Nach dem Telefonat mit ihrer Mutter war ihr jedoch die
Lust gründlich vergangen.
22
Das größte Weihnachtsgeschenk aller Zeiten, ein
Eich- und ein Streifenhörnchen und der Tsunami zum Schluss
Am Morgen des Heiligen Abends stand Emily in aller
Ruhe auf. Sie genoss es, die Wohnung ganz für sich zu haben. Thorsten fühlte
sich verpflichtet, das Weihnachtsfest in Schlips und Kragen bei seinen Eltern
in Karlsruhe zu verbringen, und war gestern abgereist. Sie kochte sich einen
Kaffee, las gemütlich die Rhein-Neckar-Zeitung und mümmelte ihr Schokomüsli.
Dann fiel ihr Blick auf die Uhr: 11.30 Uhr. Jetzt aber schnell. Sie wollte doch
noch die letzte Bergbahn erwischen. Hurtig packte sie ihren Rucksack mit einer
Thermoskanne Tee und ein paar Keksen. Sie hechtete den Berg hinunter und ließ
sich keuchend auf die Sitze der gläsernen, modernen Bahn fallen. Geschafft!
Langsam ließ sie sich den Berg wieder hochtragen. An der Molkenkur stieg sie um
in die ältere Holzbahn. Sie erinnerte sich wehmütig daran, wie sie mit den Kindern hochgefahren waren. Sie vermisste
sie so sehr! Aber es war noch nicht die Zeit, dass Sie sie unter anderen Voraussetzungen
treffen konnte. Die Wunden waren noch zu frisch. Dann dachte sie an Josues
panischen Gesichtsausdruck, als Lizzy verlorengegangen war, und wie er
strahlte, als er sie wieder in den Armen hielt. Nein, er war kein schlechter
Mensch, wirklich nicht. Sie drehte sich um und schaute Richtung Neckartal. In
ihrem Waggon war sie der einzige Fahrgast. Heidelberg und der Neckar
verschwanden langsam unter einer diesigen Decke. Am Königsstuhl angekommen
genoss sie die frische Waldluft. Sie war dennoch viel zu warm angezogen.
Dann machte sie sich auf den Weg nach Neckargemünd. Ihr war
danach, diesen Weihnachtsvormittag ganz allein im Wald zu verbringen, und sie
konnte ziemlich sicher sein, dass heute kaum Menschen unterwegs sein würden.
Vergnügt stapfte sie drauf los und folgte den Schildern des via naturae . Auf hölzernen
Schautafeln wurde die hiesige Flora und Fauna präsentiert. Die konnte aber
heute kein Interesse bei ihr wecken. Sie klopfte sich innerlich für ihre
Entscheidung, den Weg in diese Richtung zu wählen, auf die Schulter, denn es
ging immer nur bergab. Nach einer Weile kam sie bei einer vermoosten Bank an
und goss sich im Stehen eine Tasse Tee ein. Sie lauschte den Knackgeräuschen
des Waldes und dem Gezwitscher der Vögel, die gar keine Winterpause zu machen
schienen. Ja, so langsam kam sie
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