Ein Jahr im Frühling (Cappuccino-Romane) (German Edition)
Skoda ab, den er etwas schief in eine
Parklücke gequetscht hatte. Doch keiner von diesen wohlhabenden Radfahrern,
dachte sie fast erleichtert und vergaß ganz, dass sie selbst auf dem Rad saß.
Er wollte gerade in Gedanken die Straße überqueren und hatte sie wohl nicht
wahrgenommen. Sie musste einen scharfen Schlenker fahren, um ihm auszuweichen.
Die Kurve war wohl zu scharf, so dass es ihr das Fahrrad unter dem Hintern
wegzog und sie auf der Straße landete. Oh nein, stöhnte sie vor Schmerz und vor
Scham. Ihr Handgelenk, mit dem sie sich abgefangen hatte, tat weh. Sie bewegte
es probehalber, es war zum Glück nicht gebrochen. Mit bestürztem Blick kam er
auf sie zu. Dann stutzte er kurz und fragte: „Kennen wir uns?“
Emily schüttelte den Kopf und verfluchte sich innerlich
sofort wegen ihrer Feigheit.
„Wir haben uns aber schon einmal gesehen, auf dem
Bergfriedhof und dann auch in der Stadthalle, meine ich.“ Oh, er hatte so eine
wohltönende volle Stimme. Irgendwie hatte sie erwartet, er würde mit Akzent sprechen,
aber außer einem leichten kurpfälzischen Einschlag war nichts zu hören.
Verflixt, jetzt saß sie immer noch auf der Straße,
vermutlich war alles an ihr verrutscht und sie hatte sich auch noch extra
hässlich gekleidet mit dieser Uraltbluse für den Cafébesuch mit Gabriel, damit
er nicht auf dumme Gedanken kam. Aber Gabriel hatte sie so vermutlich eher noch
gefallen, Denkfehler, hatte sie sich schon im Café getadelt. Und jetzt war der
Schuss gleich zweimal nach hinten losgegangen.
Sie versuchte aufzustehen. Er reicht ihr die eine Hand,
während er sie mit der anderen von ihrem Fahrrad befreite. Ungeduldig hupte
schon ein Auto hinter ihnen. Er nahm das Fahrrad, Emily hinkte auf den
Bürgersteig vor sein Haus und versuchte ihre Klamotten zu ordnen, biss sich
heimlich auf die Lippen und richtete ihre Haare. Josue lehnte das Fahrrad an
einen dünnen Baum.
„Ich habe mich noch gar nicht entschuldigt. Ich war so in
Gedanken. Es tut mir leid, dass Sie meinetwegen gestürzt sind. Aber Gott sei
Dank scheint ja noch alles dran zu sein.“ Er schenkte ihr sein erstes
umwerfendes Lächeln. Seine großen weißen Zähne blitzten mit seinen fast
schwarzen Augen um die Wette und gleich sah er um viele Jahre jünger aus.
„Ja, ich denke. Ich habe auch nicht aufgepasst“, erwiderte sie
und strahlte ebenfalls.
„Kann ich Ihnen noch irgendwie behilflich sein, mit einem
Pflaster oder einem Glas Wasser oder so?“, fragte er unsicher.
„Nein, danke, es geht wirklich. Ich fahre jetzt mal weiter“,
sagte Emily.
„Nun, dann verabschiede ich mich, meine Kinder warten,
müssen Sie wissen.“
Ja, ich weiß, hätte sie fast geantwortet. Sie hob die Hand
und versuchte möglichst elegant auf ihren alten Drahtesel zu steigen, um
weiterzufahren. Diesmal spürte sie nicht, ob er ihr nachsah oder nicht. Nachdem
sie um die Ecke gebogen war, stieg sie ab und setzte sich ganz benommen auf
eine Bank, die am Rand eines kleinen Platzes stand. Nun, sie hatten richtig
miteinander gesprochen, das war doch unglaublich. Gleichzeitig konnte sie sich
aber schon wieder in den Hintern beißen, wie sie sich verhalten hatte. Nicht
nur, dass sie vor seinen Augen vom Fahrrad gefallen war, das konnte schon mal
passieren. Aber dass sie die Gelegenheit hatte verstreichen lassen, dass er
sich um sie kümmern musste, das ärgerte sie jetzt maßlos. Schon wieder war sie
in die Falle getappt, die Starke zu sein, statt das verletzliche Weibchen zu
spielen. Sie hätte einen fast gebrochenen Fuß haben können, dann hätte er sie
sicher in die Klinik begleitet. Oder sie hätte zumindest sein Angebot mit dem
Wasser annehmen können, dann wären sie vielleicht weiter ins Gespräch gekommen.
Auch hatte sie vor lauter Unfall gar nichts auf seine Frage geantwortet, ob sie
sich nicht schon einmal gesehen hatten.
Emily stützte den Kopf in die Hände. Du hast es echt
vermasselt, haderte sie. Und ihr Handgelenk tat auch noch ganz schön weh und
die Schürfwunde am Knie brannte. Aber wer so bescheuert ist und alle Regeln des
erfolgreichen Flirtens außer Acht lässt, der hat es nicht anders verdient.
Trübselig starrte sie auf die jauchzenden Kinder, die versuchten, einen großen
roten Ballon in der Luft zu halten.
Die Arbeit im Altenheim lenkte sie ab. Heute hatte sie einen
neuen Bewohner kennengelernt, den sonst immer andere Pfleger oder Pflegerinnen
versorgt hatten. Schon beim Betreten des Zimmers wunderte sie sich über
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