Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein Jahr im Frühling (Cappuccino-Romane) (German Edition)

Ein Jahr im Frühling (Cappuccino-Romane) (German Edition)

Titel: Ein Jahr im Frühling (Cappuccino-Romane) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Nohl
Vom Netzwerk:
bog linker Hand ab, lief bis nach vorne zur Brüstung, um
einen dieser wunderbaren Blicke auf Heidelberg von oben zu werfen, bevor sie es
sich mit ihrem Notizbuch auf einer Bank bequem machen wollte. Aber wer stand
denn da über die Brüstung gebeugt und ins Neckartal schauend? David, der
jüngste der Heidelberger Stadtführer natürlich. Sie schlich sich von hinten an,
tippte ihm links auf die Schulter und freute sich, als er zur falschen Seite
schaute. Doch irgendetwas stimmte nicht. Er schien geweint zu haben, jedenfalls
waren seine Augen rot und die Augenlider ganz geschwollen. Das passte gar nicht
zu ihm, er war doch immer von einer besonders leichten Fröhlichkeit umgeben,
als könne ihm nichts im Leben etwas anhaben. Sie stellte sich neben ihn und sah
ebenfalls hinunter über die Stadt.
    „Was ist los mit dem Bürgersohn?“, fragte sie vorsichtig.
    „Er hat Kummer.“
    „Ja, das sehe ich“, sagte sie freundlich und rückte näher.
    „Es ist ein Weibsbild“,
erzählte er leise. „Sie freit einen anderen.“
    Emily wusste überhaupt nicht, was sie tun oder gar sagen
sollte, so tief schien sein Schmerz zu sein. Sie legte den Arm um seine
Schulter oder besser gesagt um die Mitte seines Rückens, höher kam sie nicht.
Das fühlte sich in dem Moment für sie ganz natürlich an und der lange Kerl
wandte sich zu ihr, bettete seinen Kopf auf ihren und weinte und weinte. So
standen sie lange da und Emily roch seinen Duft nach sonnendurchwärmtem Heu und
ein wenig Schweiß.
    Dann bewegte er sich behutsam und richtete sich wieder auf.
Emily griff in die Hosentasche und reichte ihm ein Taschentuch.
    „Danke.“ Er seufzte. „Gut dass du da bist“.
    Sie nickte. „Hast du Lust auf eine Tasse Schokolade? Bei mir
hilft das immer. Ich wohne nicht so weit weg von hier.“
    „Ja, liebend gern. Ich habe heute noch gar nichts gegessen“,
sagte er und wurde plötzlich verlegen.
    Emily merkte es und kam ihm zuvor „Kuchen gibt es auch noch,
der muss dringend weg.“ Und gemeinsam gingen sie wieder zurück durch den Hortus
Palatinus und zu ihr nach Hause. Das Zusammensein mit ihm erschien ihr ganz
unkompliziert. Erst aßen sie die Pizzareste vom Vorabend, dann den Kuchen, den
sie vom Altenheim mitgenommen hatte, und dann konnte sie sogar wieder ein Lächeln
auf sein Gesicht zaubern, als sie ihm die Story von der zerbrochenen Tür
erzählte und mit theatralischen Gesten untermalte.
     
    Am Dienstag in der Mensa versuchte sie möglichst unbefangen
mit Gabriel umzugehen. Bei ihm war wie immer Platz und sie fragte: „Ist es in
Ordnung, wenn ich mich zu dir setze, oder willst du lieber alleine sein?“ Er
machte ihr wortlos Platz.
    „Du bist oft in der Weststadt in letzter Zeit“, begann er.
    „Ja, warum?“
    „Nun, erstens wohne ich da und zweitens beobachte ich, wie
du da immer wieder durchfährst. Vermutlich spionierst du dem wunderbaren
Unbekannten hinterher.“ Das war mehr eine Feststellung als eine Frage.
    „Gabriel, ich wüsste nicht, was dich das angeht.“
    Zornig neigte er sich zu ihr und deutete mit der beladenen
Gabel auf sie. Gyros und Joghurtsauce spritzen, als er zischte: „Willst du das,
Emily, einen gebrauchten Mann mit zwei Kindern. Willst du das wirklich?“
    Sie musste schlucken, als er so direkt auf sie losging. Das
hätte sie nicht gedacht vom friedfertigen Gabriel. „Keine Ahnung, ob ich das
will. Aber ich brauche zumindest die Chance, das herauszufinden. Und die wirst
auch du mir nicht nehmen.“ Sie knallte ihr Besteck auf den Tisch und rauschte
ab. Kurzfristig tat es ihr leid, um die kaum angerührte Portion. Am liebsten
hätte sie sie Gabriel über das angegraute Haupt geschüttet. Warum musste sie
immer so anständig sein? Was maßte er sich an, so mit ihr zu reden? Und es tat
weh, wie er seinen Finger so plötzlich in die ihr selbst kaum bewusste Wunde
gebohrt hatte.
     
    An der Mensatür stieß
sie mit Clara zusammen, die anscheinend gedankenverloren überlegte, ob sie
hineingehen sollte. Emily kochte immer noch vor Wut.
    „Entschuldige Clara, ich habe dich gar nicht gesehen.“
    „Na klar, ich bin ja auch so leicht zu übersehen“, sagte sie
gutmütig. Ein Blick auf Clara sagte Emily, dass etwas ganz und gar nicht
stimmte. Ihre Augen schienen völlig übermüdet, die Haare hingen strähnig aus
dem Zopf, als wären sie einige Tage nicht mehr gewaschen worden, und Clara
wirkte, als wäre sie um einige Zentimeter geschrumpft. Emily zog sie an der
Jacke aus dem Eingangsbereich.
    „Was

Weitere Kostenlose Bücher