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Ein Jahr in Andalusien

Titel: Ein Jahr in Andalusien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronica Frenzel
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mit dampfendem grünem Tee, der mit frischer Minze und viel Zucker verfeinert ist.
    „Hatte das Viertel schon immer diesen arabischen Charme?“ Auch wenn Jaime aus Málaga kommt, ist er seit langem ein Liebhaber von Granada gewesen, er
kennt sich in der Stadt aus, als ob er hier geboren wäre. „Gar nicht! Das Viertel war weder schön noch arabisch. Vor ein paar Jahren war der Albayzin
ziemlich heruntergekommen“, erinnert er sich. „In den Gassen gab es viele Junkies und Prostituierte.Deshalb konnten die Marokkaner,
die auch jetzt noch die Teterías und Läden betreiben, sich so ungestört niederlassen – die Spanier waren regelrecht geflohen. Die Stadt begann erst mit
der Renovierung der Straßen, als die Urlauber den Charme des Albayzin schon entdeckt hatten. Nur wenige Spanier haben hier Geschäfte aufgemacht oder
behalten, fast alles gehört heute den Marokkanern.“
    Ich erzähle Jaime von der Moschee am Aussichtspunkt Mirador de San Nicolás, auch er hat davon gehört und ist neugierig. Nach dem Tee machen wir uns auf
den Weg dorthin. Die kleine Mezquita im Albayzin ist zwischen zwei katholischen Kirchen eingeklemmt, auf der rechten Seite liegt die Iglesia San
Nicolás, links die von San Salvador. Ich habe Jaime gesagt, dass die Moschee nur nach Voranmeldung und nur für Gruppen geöffnet ist. Doch das scheint
für ihn nur noch ein größerer Anreiz, die Mezquita gerade jetzt zu besuchen. „Es gibt nichts Schöneres, als Regeln zu brechen“, antwortete er. Mit
einem mulmigen Gefühl folge ich ihm in die Moschee. „¿En qué os puedo ayudar? – Wie kann ich euch helfen?“, fragt ein bärtiger Spanier prompt, gerade
als wir unsere Schuhe ausziehen, um den Innenraum zu betreten. Sofort werde ich rot, eine kluge Antwort fällt mir nicht ein. „Wir haben uns gerade über
die islamische Gemeinde von Granada unterhalten und wollten deshalb die Moschee besuchen“, sagt Jaime stattdessen freundlich. Dann fügt er noch hinzu:
„Das ist meine Freundin, sie ist Journalistin aus Deutschland und sehr an dem Thema Islam in Spanien interessiert.“ Ich lächele den Mann unsicher
an. Doch zu meiner Überraschung höre ich ihn sagen: „Wenn ihr wollt, zeige ich euch die Moschee. Ihr habt Glück, es ist gerade nicht Gebetszeit. Ich bin
übrigens der Direktor, Abdalhasib Castiñeira.“ Dann streckt er uns seine Hand entgegen.
    „Mussten sie hart kämpfen, um in Granada eine Moscheezu errichten?“, frage ich Abdalhasib schnell, schließlich muss ich Jaimes
Einführung gerecht werden. „Und ob“, antwortet er und schnauft. „Die spanische islamische Gemeinde hat dieses Grundstück schon im Jahr 1981
gekauft. Die Kirche San Salvador gleich nebenan war während der maurischen Besatzung, also vor fünfhundert Jahren, eine von 26 Moscheen der Stadt. Nach
der christlichen Rückeroberung wurde sie zur Kirche umgewandelt. Dort wird zwar schon lange keine Messe mehr gefeiert, doch das frühere Gotteshaus
wollte die Stadt uns in keinem Fall zur Verfügung stellen. Deshalb kauften wir das Nachbargrundstück. Doch dann gingen die Probleme erst richtig
los. Viele konservative Katholiken haben uns Steine in den Weg gelegt.“ Castiñeira streicht immer wieder mit Daumen und Zeigefinger über seinen Bart,
während er spricht. „Erst waren es archäologische Funde, die den Baubeginn verzögerten, dann der Flächennutzungsplan, in dem die Moschee erst nach
jahrelangen, langwierigen Debatten aufgenommen werden konnte. Zum Schluss hat man uns dann gezwungen, das ursprüngliche Projekt zu verändern und eine
sehr viel bescheidenere Moschee zu bauen, als wir geplant hatten.“
    Abdalhasib führt uns zum Ausgang, einige Gläubige sind jetzt zum Gebet gekommen. Wir schlüpfen in die Schuhe und treten in den Garten. „Wie ist das
Zusammenleben jetzt?“, fragt Jaime. „Es ist besser geworden. Am Anfang haben ein paar Jugendliche islamfeindliche Graffitis an die Wände gesprüht, aber
das hat irgendwann aufgehört. Trotzdem gibt es immer noch Konflikte mit den Christen. Allein schon die Reconquista-Feiern sorgen jedes Jahr für
Aufregung. “
    Der 2. Januar, der Tag, an dem der letzte Maurenkönig Boabdil im Jahr 1492 den Katholischen Königen Fernando und Isabel die Schlüssel zum Tor der Stadt
übergab, ist das wichtigste Datum im Kalender von Granada. Mit derchristlichen Rückeroberung der letzten maurischen Bastion war die
islamische Besatzung der Iberischen Halbinsel endgültig beendet. An dem Feiertag trägt jedes Jahr eine

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