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Ein Jahr in Australien

Titel: Ein Jahr in Australien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julica Jungehuelsing
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Highway wirklich eine so gute Idee gewesen war. Manchmal, überlegte ich, als wir mit dem neuen Fahrer weiterrollten, ging vielleicht wirklich die Romantik mit mir durch. Honig im Hirn. Dann schlief ich ein und wurde erst von einem aufmunternden Hupen wieder wach. Aileron, das letzte Roadhouse vor Alice Springs, wir hatten es fast geschafft. Die Sonne war aufgegangen und ließ die Steppe rot leuchten, der Horizont spannte sich endlos vor dem Fenster. In der Fernehoppelten ein paar Wallabies davon, die kleineren Verwandten der Kängurus. Ich rieb mir die Augen und streckte meine Beine aus. Nein, es war gut gewesen, den Bus zu nehmen. Auch, weil ich jetzt endlich und absolut glaubhaft über Kängurus in freier Wildbahn berichten konnte.

August
    In den ersten Minuten nach Sonnenuntergang war das Meer grün. Genau genommen leuchtete es erst türkisgrünblau mit ein paar orangenen Reflexen. Die rötlichen Flecken stammten von den Wolken, deren Ränder die Sonne kurz anmalte, ehe sie ganz verschwand. Dann wurde das Wasser eukalyptusblattgrün, tief und undurchsichtig. Wunderschön war das, und Christine würde ich einfach nichts davon erzählen. Es hatte schon etwas für sich, wieder an einem krokodilfreien Gewässer zu sein. Ich surfte eine letzte, lange Welle und rannte über den kühlen Sand Richtung Wairoa Avenue. Ganz leicht war es mir nicht gefallen, mich in meinem zivilisierten Strandvorort wieder einzuleben. Als sei ich nicht in einem anderen Bundesstaat gewesen, sondern in einer anderen Welt. Der Nomade war weitergezogen, ich hatte Zeit für mich, und immer noch schwirrten mir Bilder aus Arnhem Land durch den Kopf. Freunde wollten Fotos sehen, aber es war schwer, diese Stimmung aus dem Busch zu vermitteln. Surfen half. Die Unberechenbarkeit der Wellen war ein guter Kontrast zu Sydneys wohl sortierter Realität, in der es weder grüne Ameisen noch tief tönende Yidakis gab. Und an ruhigen Tagen wie diesem erlaubte ich mir auf dem Brett, einen Moment lang gen Horizont zu blinzeln und von Reflexen im Wasser und Mustern im Sand zu träumen. Als Cameron am nächsten Morgen den ersten Strong Flat White vor mir auf den Tresen stellte, fühlte ich mich schon wieder fast wie zu Hause. Ah, thanks, mate. Das roch nach Kaffee,und nicht wie die Heißwassermischungen im Norden und am Highway, die sich kurz in der Nähe von Bohnen befunden hatten. Die Zivilisation hatte eben auch ihre Vorteile.
    Die Temperatur hatte ebenfalls einen Sprung gemacht, und zwar nach unten. In Alice Springs waren es noch 28 Grad gewesen, in Sydney, 2000 Kilometer weiter südlich, schaffte es das Quecksilber seit Tagen kaum bis zur 14. Jennifer liebte diese Jahreszeit. „August ist der letzte Monat, in dem wir noch Wintersachen tragen können“, versicherte sie mir. „Wart’s ab, in vier, fünf Wochen gibt es wieder nur eine einzige mögliche Kluft: T-Shirt, Shorts und Thongs – wie langweilig.“ Bis dahin führten sie und ihre Freundinnen begeistert spazieren, was das Jahr über vernachlässigt in ihren Schränken hing. Wir waren zum Besuch des samstäglichen Flohmarkts in Paddington verabredet. Feuerwehrfrau Mel trug hohe Ugg-Stiefel aus Lammfell, das Knie frei, darüber einen karierten, kurzen Rock und ein langärmeliges Hemd. Einen pinkfarbenen, wollenen Hut hatte sie tief über die Ohren gezogen. Ich staunte und wurde aufgeklärt: „Der Mensch verliert die meiste Wärme über den Kopf !“ Jens zweitbeste Freundin Al sah das ähnlich. Sie hatte Flip Flops an den nackten Füßen. Im Übrigen kam sie in Tweedjacke, Schal und langen Hosen zum Marktgang. Jennifer kombinierte am rasantesten, nicht umsonst hatte sie Jahre als Model gearbeitet. Ihre getigerten Strumpfhosen steckten in festen Blundstone-Boots, Australiens buschtauglichen Stiefelklassikern schlechthin. Darüber trug sie einen Strickrock in Orange sowie ein ärmelloses T-Shirt. Das heißt, eigentlich waren es drei ärmellose Hemden derselben Marke in unterschiedlichen Regenbogenfarben übereinander. Für den Fall, dass ihr das unterwegs zu frisch werden sollte, band sie einen Fransenschal um und setzte ihre rote Baskenmütze auf. Mich beeindruckte neben dem Alles-ist-erlaubt-Stil vor allem die Farbenfreude. Die erinnerte mich beinahe an Lena undihre Familie in Arnhem Land. In meiner eigenen Wintergarderobe dominierten leider Schwarz, Dunkelgrün und Grau. Und damit sah ich in Bondi eher aus wie die Büromenschen, die den Stadtteil morgens in gedeckten Anzügen gen Innenstadt

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