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Ein Jahr in Australien

Titel: Ein Jahr in Australien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julica Jungehuelsing
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und Gepäckverstauer war. „Katherine. Tennant. Alice …!“, rief er den Wartenden zu, endlich ging es los. Auf der hintersten Bank hatten sich drei schwarze, dünne Teenager mit Nike-Kappen und knalligen Football-Shirts breitgemacht. Ein paar einzelne Rucksackreisende stiegen ein, eine Familie mit Bergen von karierten Plastiktaschen und ich. Eine Stunde später rollten wir jenseits der Vororte über den Stuart Highway, noch 1400 Kilometer bis Alice Springs. Sehr gerade, ereignislos und zweispurig war diese Landstraße, die ihren Namen einem der wichtigsten Australienforscher verdankte: dem Schotten John McDouall Stuart, der 1862 als erster Weißer den gesamten Kontinent zu Fuß von Süden nach Norden durchquerte. An den großen Busfenstern zog die Landschaft vorbei, Streifen mit Eukalyptusbäumen folgten Steppen voller Termitenhügel und da und dort ein paar schroffe Felsen. Alle paar Stunden hielten wir an einem der Roadhouses , Tankstellen mit Imbiss und Shop. Zu einigen dieser Raststätten gehörten Zeltplätze und kleine Pools, die wie seltsame Oasen im weiten Nichtswirkten. Viele im Fahrplan markierte Stopps ließen wir aus, weil niemand ein- oder aussteigen wollte. Am Straßenrand lagen überfahrene Kängurus. Der Bus blieb zu drei Vierteln leer.
    In Katherine hatte sich ein Mann mit viel Bauch und noch mehr Bartstoppeln auf die Sitzbank neben meiner fallen lassen. Er roch nach Bier, sah aber nicht so sehr betrunken als vielmehr traurig aus. Ich lächelte und murmelte ein „How are you“. Er nickte zurück und gab die etwas unaustralische Antwort: „Könnte schlimmer sein, orright .“ Bei einem der nächsten 15-Minuten-Stopps an einem Roadhouse standen wir zusammen vor einem Automaten, der „Espresso“ versprach, und überlegten, ob wir eine 2-Dollar-Münze riskieren sollten. Dann fing der Bärtige auf einmal an zu erzählen. Wenn nur der Toyota ihn nicht im Stich gelassen hätte, er könnte längst zu Hause sein, brummte er. „Endlose Busfahrerei.“ Er schüttelte unwillig den Kopf. Von der Beerdigung seiner Schwägerin käme er, aus Kunnunurra. In Gedanken reiste ich über die Landkarte wieder zurück nach Norden. Er bemerkte meine angestrengten Stirnfalten. Nein, das sei nicht am Stuart, eher quer rüber, Richtung Westen. Auf dem Victoria Highway sei sein Wagen kaputtgegangen, deshalb musste er den Bus nehmen. Er könne ja schlecht seine Tiere verdursten lassen, nur weil die da oben in der Pampa ewig brauchten, um eine neue Achse für ihn aufzutreiben. Dem folgten ein paar herzhafte Flüche Richtung Nirgendwo, und dann sah er wieder mich an, zog den Bauch ein und entschuldigte sich. „Ah, sorry, lady.“ Im Übrigen sei er Ray, er streckte mir eine kolossale Hand entgegen. „Hi, good to meet you.“ Ray war Bauer, und sein Land lag ein gutes Stück nördlich von Tennant Creek. Es sei so groß wie Jamaika, witzelte er, aber das war kein Scherz. Dennoch reiche die Fläche kaum aus, um 2000 hungrige Rinder zu ernähren. Seit vier Jahren hatte es in seiner Gegend selbst in der Wet Seasonnicht oder nur tropfenweise geregnet. Er sah skeptisch in den wolkenlosen Himmel. „Ah, wir werden sehen, was es dieses Jahr gibt, wer weiß.“ Dann verfiel er wieder in Schweigen. Der Fahrer hupte. Es ging weiter. Die Abendsonne warf ein sanftes Licht über die Ebenen. Nicht weit vom Straßenrand hockten Känguru-Sippen und kauten auf spärlichen Grasbüscheln.
    Als mein Nachbar sich zum Aussteigen fertig machte, war es tiefschwarze Nacht, und die Stelle, an der der Bus seine Fahrt verlangsamte, sah nicht nach einer Tankstelle aus. Ein Paar aufgeblendeter Scheinwerfer waren das Einzige, was ich im Dunkeln erkennen konnte. Der Busfahrer drehte sich um: „Deine Familie?“ Ray grummelte: „Will ich schwer hoffen.“ Er nahm seine Tasche und steckte das Hemd in die Hose. „Tote Kühe machen hier um die Zeit wohl kaum Licht an, oder?“ Dann klopfte er dem Fahrer mit seiner riesigen Pranke auf die Schulter und kniff mir im Aussteigen ein Auge zu: „Take care, lady. See ya later.“ Ich murmelte etwas, das wie „Viel Regen in der Regenzeit wünsche ich!“ klingen sollte. Der Fahrer gab Gas, und Ray verschwand in der Finsternis.
    In Tennant Creek wechselte der Busfahrer, ich vertrat mir die Beine in der kargen Transithalle. Es gab eine Toilette ohne Licht und drei kaputte Bänke. Ich war nicht mehr ganz so sicher, ob eine Busfahrt, die 21 Stunden dauerte, davon zwangsläufig einige bei Nacht, über einen einsamen

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