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Ein Jahr in Australien

Titel: Ein Jahr in Australien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julica Jungehuelsing
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Ich war zu erschöpft, mich zu verteidigen. Dieses Training war in der Tat das Anstrengendste, was ich seit langer Zeit erlebt hatte. Und so ganz sicher war ich mir meiner Sache gerade wirklich nicht. Mir war nach Urlaub und Nichtstun: „Warum nehmen wir nicht den Van und fahren ein paar Tage die Küste hoch?“, schlug ich, das Thema wechselnd, vor, und zu meiner Überraschung sagte der Prinz: „Hm, ja, warum nicht?“ Dann fiel ihm ein, dass er Sebastian versprochen hatte, für ihn zwei Wochen an der Hotelrezeption einzuspringen. Pech, ich hatte an meiner Idee gefallen gefunden. Ein paar Tage aus Bondi rauszukommen würde mir gut tun.
    Die Theoriestunden am Dienstag nahm ich noch mit. Erleichtert hörte ich, dass auch Dan und Damian noch immerMuskelkater vom Sonntag hatten. Dann flogen mir Abkürzungen um die Ohren, die in keinem Wörterbuch standen: EAR, CPR, resus , und schlag mich tot. Kathy sprach so schnell, dass ich kaum mitschreiben konnte, Co-Trainer Alex so leise, dass ich fast einschlief. Zum Glück hatte Sean, der im richtigen Leben bei einer Bank arbeitete, seinen Beruf verfehlt und war ein vorzüglicher Lehrer. Er deutete die panischen Fragezeichen in meinem Blick richtig und zeigte mir immer wieder die passenden Stellen im Buch: Kannst du ja auch später noch mal nachlesen, no worries, alles halb so wild.
    Mittwoch früh packte ich Schlafsack, Kamera und Surfbrett, Taschenlampe und ein paar Klamotten ein. Campingkocher und Zelt wohnten ohnehin permanent in meinem geräumigen Express. Eine der Kühlkisten, die Kevin mir hinterlassen hatte, füllte ich mit Proviant: Wein, Bier, Brot, Spaghetti, Kekse, Käse, Tomaten, Äpfel, Wasser und Steaks. Das müsste reichen. Zuletzt landeten auch noch Wörterbuch und Surflifesaving-Lehrbuch auf dem Sitz. Schaden könnte es ja nicht. Die Idee war, der Zivilisation eine Weile den Rücken zu kehren. Ich wollte ein paar Stunden Richtung Norden an der Küste langfahren, einen schönen Platz finden, irgendwo übernachten, dann weiterzockeln und anderswo das Zelt aufschlagen. Wenn ich genug gesehen hatte, käme ich auf ähnlichem Weg zurück. Sonntag um acht könnte ich ja, wenn’s denn sein müsste, wieder zum Appell, pardon, zum „run-swim-run“ in heimischen Gefilden sein.
    Der Van startete wie in alten Zeiten, zum Glück hatte es seit längerer Zeit keinen Guss gegeben. Ich schaltete auf einen von zwei Sendern, die das Radio empfangen konnte, sagte Ade und machte mich auf den Weg. Aus der Millionenstadt Sydney nach Norden rauszukommen war fast noch langwieriger als bei meinem Ausflug in den Royal National Park Richtung Süden. Aber endlich ging es auch dort, nachvielen roten Dächern und Imbiss-Stationen, in naturgeschützte Wildnis: der Ku-Ring-Gai Chase National Park – was für ein Name! Von meiner erhöhten Position auf dem Highway sah ich über die grün bewachsenen Buckel und Berge, die sich um den breiten Lauf des Hawkesbury Rivers wanden: wunderschön. Eine Stunde jenseits der Stadt begann auch hier eine andere andere Welt. Diesmal die der dichten Eukalyptuswälder und Hügel, mäandernden Wasserstraßen und grünen Inseln. Aber das war nun wirklich zu früh für einen Stopp, ich war ja kaum eine Stunde von Bondi entfernt und wollte schließlich „raus“, mich von der Stadt entfernen. Ich gab Gas. Hinter Newcastle hatte ich mir auf dem Pacific Highway eine Stelle auf der Karte markiert, die vielversprechend aussah. Eine Straße bog ab und führte vom Highway Richtung Küste, vorbei an einem Seengebiet, und endete an einem winzigen Punkt: Seal Rocks. Das klang schön, ich mochte Seelöwen, gegen Felsen hatte ich auch nichts, und irgendwo musste ich ja schließlich anhalten. Die Straße wurde schmaler und kleiner und enger und wand sich bergauf und bergab durch ein Waldstück. Es war kurz nach Mittag und warm, und ich hatte für heute genug im Auto gesessen. Am Ende der Straße gab es einen Kramladen, der zugleich Tankstelle und Post zu sein schien. Jedenfalls standen an der Einfahrt Zapfsäule, Telefonzelle und Briefkasten artig nebeneinander. Dahinter zeigte ein Schild den Weg zum „Nature Camp – No Caravans“. Das klang gut, auf asphaltierte Wohnwagenkolonien hatte ich ohnehin keine Lust. Die Straße allerdings war mir etwas suspekt: ungeteert, von Bäumen überwuchert und schmal. Ich war mir unsicher, wie der gute alte Express mit Schlaglöchern und losem Sand klarkommen würde. Sehr belebt schien die Gegend ebenfalls nicht zu sein. Bis mein

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