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Ein Jahr in Australien

Titel: Ein Jahr in Australien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julica Jungehuelsing
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Was beim Blick auf den vor Körpern überquellenden Sand an dem Tag schwer vorstellbar war. Zu unserer Linken aalte sich ein Sweetheart in G-String mit Perle über der Pofalte, rechts lag gleich eine ganze Reihe von Miniatur-Oberteilen in Häkeloptik. Am Südende des Strandes wurde – oh my God – gar oben ohne gesonnt. „Touristen!“ Chris zog die Augenbrauen hoch. „Garantiert.“ Sie und ihre Freundinnen, stellte ich wenig später fest, erlaubten sich derlei nicht einmal in der Umkleidekabine.
    Wir waren im Becken des Schwimmbads zwei Kilometer um die Wette gekrault. Jetzt freuten wir uns aufs wohl verdiente Kaltgetränk und zockelten zur Dusche. Fürs Protokoll: Beide Frauen entstellten weder fiese Narben noch Über- oder Untergewicht oder missglückte Tätowierungen, und die Umkleide war fensterlos und nur für Frauen. Doch unter derDusche shampoonierten sie tatsächlich ihre Badeanzüge mit ein. Ich hielt die Luft an. Ob sie jetzt wohl den ganzen Abend über die nassen Teile anbehalten würden? Nein, zuletzt schälten sich die zwei doch aus dem Schwimmzeug. Wie andere Frauen rundum waren sie allerdings während der gesamten Prozedur in ihre Handtücher gewickelt. „Praktisch“ sah das nicht aus.
    Auf dem Balkon der „Icebergs“-Bar waren alle Tische belegt, uns blieb das gut gekühlte Innere der Kneipe. Über der Theke kreisten Ventilatoren, von der Decke strömte eisige Luft aus der Klimaanlage. Die Einzige in Jeans und Hemd mit langen Ärmeln war dennoch ich, typisch europäisch. Chris trug über einem sehr kurzen Rock ein Hemdchen, das fast durchsichtig war. Karens Oberteil war seidig blau, was gut zu ihren Augen passte, und außerdem wie eine Art V geschnitten, dessen Seiten sich genau über ihrem Bauchnabel trafen. Ihre gut geformten Brüste indes drohten ihrem jeweiligen Gegenüber entgegenzufallen, sobald sie sich nur leicht drehte oder nach vorn beugte. Karen und Chris waren natürlich nicht die Einzigen mit einer Vorliebe fürs Minimale: Vor allem die jüngeren Frauen zeigten fast mehr Haut als beim Sonnenbaden, auf alle Fälle aber mehr als in der Umkleide. Die Klimaanlage blies mir den Nacken steif, und ich wickelte mir meinen Pulli um den Hals. „Ist ja fast so kuschelig wie nachts im Supermarkt hier“, grummelte ich Chris zu. Nur leider ohne die charmante Pistazien-Polizei. Letzteres dachte ich natürlich nur. Mir war völlig egal, dass ich als Einzige vollständig bekleidet war. Integration hatte ihre Grenzen, und eine von meinen war erreicht, wenn eine Bar sich mitten im Hochsommer in eine Art Drei-Sterne-Eisfach verwandelte. Ich hatte einfach nicht die Kälteresistenz meiner Geschlechtsgenossinnen. Immerhin trugen sie keine nassen Bikinis mehr. Trotzdem wollte mir nicht ins Hirn, wieso Ausoder Umziehen am Strand nun so unsäglich und daneben,sich in der Bar zu enthüllen jedoch völlig okay war. Aber vielleicht musste ich auch nicht alles verstehen.
    Am anderen Morgen tat mein Hals weh. Kein Wunder nach diesem arktischen Vergnügen. Ich verzog mich mit einer stündlich röter werdenden Nase hinter den Computer und schrieb an einem Artikel über Lebensretter. Da war ich ja nun fast Expertin. Während ich über Hai-Statistiken, Zahlen von Ertrunkenen und anderen Ideen grübelte, die meine deutschen Leser nachvollziehen könnten, sah ich aus dem Fenster und spazierte in Gedanken zwischen die rotgelben Fahnen. Ich mochte viele der Clubbies wirklich, und auch, dass ich so viel über Sicherheit und das Meer gelernt hatte. Was mir an dem Job als Strandwächter allerdings mit am besten gefiel, passte nicht wirklich in meinen Artikel. Das war das Gefühl, beim „lifesaven“ richtig hier zu sein, etwas zu tun, das mit Australien zu tun hatte. Etwas, für das ich genau hier präsent sein musste, weil es hier stattfand und nicht irgendwo am anderen Ende der Welt wie mein richtiger Job. Meine Texte erschienen in einer Sprache, die hier keiner verstand, in Magazinen, von denen noch nie jemand gehört hatte. Eher sporadisch schaffte mal ein Belegexemplar den weiten Weg zurück zu seiner Urheberin. Das war ein reeller Preis für meine unvergleichlich große Freiheit. Ich brauchte kein tägliches Schulterklopfen für meine schlauen Worte, aber hin und wieder haftete diesem Satellitendasein etwas Unwirkliches an. Als agierte ich zwischen zwei Welten, die sich nie wirklich trafen. In rotgelber Uniform mit den Füßen im Sand auf Badende aufzupassen war im Gegensatz dazu wunderbar bodenständig, schön

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