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Ein Jahr in San Francisco

Ein Jahr in San Francisco

Titel: Ein Jahr in San Francisco Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanni Bayers
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Healthquestion , massenhaft Arbeit im Büro, des phänomenalen Indian Summers und jeder Menge Veranstaltungen und Festivals. Im Oktober ist fast immer etwas los: Events wie die ausgeflippte Castro Street Fair , das Literaturfestival Litquake , das alljährliche SF Jazz Festival, das gemeinnützige Bridge School Concert und das bekannte Hardly Strictly Bluegrass Festival stehen an. Nick zu vergessen sollte mir leicht fallen! Mitte Oktober bin ich schon viel besser drauf. Für Vijay und mich steht ein Lunch-Termin mit der Gründerin eines Förderprogramms für Start-ups, einem sogenannten Inbukator, an. Ich hatte sie vor einigen Wochen angeschrieben und ihr gegenüber ausgedrückt, wie interessant ich das Programm finde, das sie jungen Start-up-Gründern anbietet: Es ist ein Mentoring-Programm über den Zeitraum von fünf Wochen, das das junge Start-up-Team auf die Unternehmensgründung vorbereitet beziehungsweise es dabei unterstützt. Für den gesamten Zeitraum arbeiten die ausgewählten Gründungsteams in einem Gemeinschaftsbüro zusammen, tauschen Ideen aus, helfen sich gegenseitig und werden von Experten wie hochrangigen Venture Capitalists und Mehrfachgründern beraten. Ihren normalen Job können die Teilnehmer dank dem sogenannten „Moonlighting-Modus“ behalten – was bedeutet, dass die Kurse in den Abendstunden und am Wochenende stattfinden. Insgesamt werden circa zehn Start-up-Ideen aufgenommen, manche davon haben bereits eine Website, einen Prototypen und ein Geschäftsmodell, andere bestehen lediglich in den Köpfen ihrer Gründer.Wir verabreden uns mit Amber, der Chefin des Gründerprogramms, für ein Mittagessen in der Anchor Oyster Bar im Stadtteil Castro . Vorher möchte ich allerdings Alex noch auf einen Kaffee treffen, denn er hatte Redebedarf angekündigt.
    Das Viertel Castro ist auch als Gay Capital , also Hauptstadt der Schwulen, bekannt. Es liegt südlich der Market Street und erstreckt sich über mehrere Blocks entlang der Castro Street bis nach Noe Valley . Hier ist das öffentliche Coming-out vollkommen legitim, und Homosexualität wird nicht – wie in vielen US-Staaten – als strafbares Delikt angesehen. Ich stelle mein Fahrrad an der Ecke Market und Castro Street ab, und mein Blick fällt auf die übergroße Regenbogenflagge, die im Wind über der Straßenkreuzung weht und weltweit als Zeichen von Toleranz und Hoffnung betrachtet wird. Alex kommt mir bereits winkend entgegen. „Welcome in Castro, take a walk on the wild side. Schön, dass du es geschafft hast“, empfängt er mich in seinem Viertel und umarmt mich herzlich. „Hui, heiße Hose“, stelle ich fest und mustere seine Beine, die in einer sehr engen weißen Sommerhose für meinen Geschmack etwas zu gut zur Geltung kommen. Er winkt ab. „Ach, honey, nicht so frech. Ich bin doch schließlich wieder auf Wildfang. Jetzt komm! Die Bedeutung der Flagge kennst du, oder?“ Er zeigt auf die Fahne. „Ja, immer noch“, antworte ich und überlege, wie häufig er mir schon von „seiner“ Flagge erzählt hat. Ursprünglich wollte der Künstler, der Amerikaner Gilbert Baker, acht verschiedene Farbstreifen in die Flagge integrieren. Doch für die Massenproduktion war das von ihm selbst gefärbte grelle Pink, bekannt als ‚Hot Pink‘, industriell nicht herstellbar. So musste die Anzahl der Farben kurzerhand auf sechs Farbstreifen reduziert werden, denn sieben Streifen kamen als ungerade Zahl nicht in Frage. „Aber gab es nicht als Schwulensymbol auch mal einen sogenannten rosa Winkel“? – „Ja, stimmt“, sagt er und erzählt, dass es vieleJahre lang Diskussionen darüber gegeben habe, ob der rosa Winkel oder die 1978 entworfene Regenbogenflagge als Bewegungssymbol für homosexuelle Menschen gelten solle. Schließlich ist der „rosa Winkel“ – das Symbol, das Homosexuelle während der Zeit des Nationalsozialismus in Konzentrationslagern zur Kennzeichnung tragen mussten – weltweit bekannt. Alex hakt sich bei mir ein. „Schwere Kost, dieses Thema. Aber den Park dort drüben muss ich dir noch zeigen.“ Er deutet auf die gegenüberliegende Seite der Market Street. „Zum Gedenken an die Ermordung von 15 000 homosexuell orientierten Menschen während des Holocausts wurde dort der Pink Triangle Park angelegt. Komm!“ Wir überqueren die Straße und gelangen an eine kleine Grünanlage in der Form eines Dreiecks. Darauf stehen fünfzehn dreieckige Granitpfeiler, die für jeweils 1000 getötete Menschen stehen. „Tja, dies ist

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