Ein kalter Hauch im Untergrund - Neal Carey 1
stimmt’s? Johnny, sag Neal hallo.«
»Hallo, Neal.«
Johnny war groß, fett und muskulös. Auf seinem Brustkorb hätten Flugzeuge landen können. Auf seinen Handflächen könnte man Pfannkuchen braten.
Neal sagte nichts. Er sah zu, wie seine Mutter ihren Arm ausstreckte. Johnny zog seinen Gürtel heraus und wickelte ihn um ihren Arm, bis eine Vene deutlich hervorstand. Marco drückte auf die Spritze, bis ein kleiner Tropfen am Nadelende glitzerte.
»Tu’s nicht«, sagte Neal.
»Halt den Mund, Neal. Der Doktor arbeitet.«
»Ich hab gesagt, tu’s nicht.«
»Yeah, und wir haben’s alle gehört. Jetzt halt die Klappe.«
Neal steckte die Hand in seine rechte hintere Hosentasche und holte einen Schuhlöffel hervor. Das kühle Metall schmiegte sich in seine Hand, das breite Ende ragte heraus.
Er wartete, bis Marco sich über den Arm seiner Mutter beugte, dann rannte er durchs Zimmer. Er riß den Arm hoch und knallte dem Zuhälter das harte Metall genau zwischen die Augen. Marco ging in die Knie, während das Blut aus seiner zerschmetterten Nase auf den weißen Anzug schoß.
»Gott! Ich kann nicht sehen! Ich kann nicht sehen!« schrie Marco, während Johnny Neal und Neals Mutter die Spritze packte. Marco zog sich an der Couch hoch, tastete nach dem Seidentaschentuch in seiner Brusttasche und wischte sich das Blut aus den Augen. Seine Beine zitterten, als er zu Neal herüberging und ihn zweimal ins Gesicht schlug.
»Du glaubst, du bist ein Mann, du kleiner Scheißkerl?«
Neals Mutter war bereits auf irgendeiner Wolke, als die beiden Männern ihren Sohn auszogen und auf die Couch legten. Marco hatte ihn eine ganze Weile mit dem Gürtel bearbeitet, als sie den Jungen zum ersten Mal schreien hörte, und dachte, sie sollte zu ihm gehen. Aber er war so weit weg.
Ed Levine sprach leiser, wenn er sich ärgerte. Graham mußte sich anstrengen, um ihn zu hören. »Hat er gute Kontakte?« »Geht so. Entfernte Verwandte. Sonst nichts.« Graham hatte Neal dazu gebracht, von der Sache zu erzählen, als er endlich zur Arbeit kam: Zwei Tage zu spät und kaum in der Lage zu laufen. Er hatte den Jungen gewaschen und die Schnitte, die infiziert waren, medizinisch versorgt. Als Kind war er auch ein paarmal geschlagen worden, aber so etwas hatte er noch nie gesehen. Neals Rücken und seine Beine waren voller roter und violetter Striemen, und wo der Zuhälter ihn mit der Gürtelschnalle erwischt hatte, waren dicke Beulen.
»Niemand schlägt einen meiner Leute«, sagte Levine.
»Ein Anruf in der Mulberry Street klärt die Sache. Sie schulden uns was.«
»Nein. Das ist was anderes. Ich will ihn selber. Sorg dafür.«
»Komm schon, Ed…«
Levine starrte ihn an. Ende der Diskussion.
Es paßte Joe Graham überhaupt nicht.
Levine hatte ihm gesagt, daß er dafür sorgen sollte, den Zuhälter zu treffen, und das hatte er getan. Aber Graham war nicht glücklich damit. Er stand in einer dunklen Sackgasse neben einem gemeinen Dealer-Luden und seinem riesigen Schläger. Graham hoffte bloß, daß Ed wußte, was er tat. Ed Levine war nicht gerade schwächlich, aber dieser Ochse neben Marco war wesentlich größer.
»Wo ist Ihr Freund?« fragte Marco. Der Zuhälter trug wieder einen weißen Leinenanzug, sein Markenzeichen, und war nervös.
»Er kommt schon.«
»Das wäre auch besser. Ich warte nicht gern mit der Ware.«
»Ich hab’s begriffen.«
Komm schon, Ed, dachte Graham, hoffentlich schlingst du nicht irgendwo chinesisches Essen in dich hinein und hast unsere kleine Verabredung vergessen.
Marco sagte: »Ich hoffe, es ist okay, wenn mein Freund Sie abtastet. Nicht, daß ich Ihnen nicht vertraue…«
»Hey, das ist Business, nicht wahr?« antwortete Graham.
Graham hob die Arme, während Johnny ihn vorsichtig abklopfte. Der Typ ist Profi, dachte Graham, bekam noch etwas mehr Angst und wünschte sich, daß Levine die Sache den alten Italienern aus der Mulberry überlassen hätte.
»Er ist okay«, sagte Johnny und lächelte Graham freundlich an.
»Was ist mit Ihrem Arm passiert?« fragte Marco.
»Hab’ ihn wohingesteckt, wo er nicht hingehörte.«
»Ich hoffe, sie war’s wert!« lachte Marco.
Graham kicherte höflich.
»Guten Abend, Gentlemen.«
Graham drehte sich erleichtert um, bereute es aber sofort. Levine trug einen graugestreiften Dreiteiler.
»Wie geht’s?« fragte Marco und musterte ihn. Levine sah nicht aus wie jemand, der Dope kaufen wollte.
»Mir geht’s prima«, sagte Levine. »Um Sie mache
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