Ein kalter Mord - McCullough, C: Ein kalter Mord
Mann, dachte Carmine, würde sich vor die Tür wagen; es war die Jahreszeit der prasselnden Kaminfeuer. Falls die Gespenster eine Entführung geplant hatten, würde diese schreckliche Eiseskälte sie sicherlich davon abhalten.
Das Ponsonby-Grundstück war ein großes Problem gewesen. Ein fünf Morgen großes Grundstück, länger als breit, fiel es steil von einem Höhenrücken ab, der einen Grat bildete und zugleich die hintere Grundstücksgrenze darstellte; das alte Haus stand näher zur Straße, umgeben von Wald. Der hinter allen Blocks auf dieser Seite der Ponsonby Lane verlaufende Höhenzug war eigentlich der Beginn eines acht Hektar großen Waldschutzgebiets, das Isaac Ponsonby, der Großvater von Charles und Claire, nicht dem Staat Connecticut, sondern dem Holloman County Council geschenkt hatte. Isaac war ein Freund des Rotwildes gewesen, der das Jagen verurteilte; diese acht Hektar, hieß es in seinem Testament, sollten als Wildpark innerhalb des County in Stadtnähe erhalten werden. Abgesehen von der Errichtung einiger Schilder, auf denen JAGEN VERBOTEN stand, hatte das County dem Vermächtnis keine weitere Beachtung geschenkt. Heute war es noch ziemlich genauso wie zu Isaacs Lebzeiten, ein recht dichter Wald mit hohem Rotwildbestand. Er erstreckte sich von dem Höhenzug einen Hang hinunter zur Deer Lane, einer kurzen Sackgasse mit vier Häusern an der gegenüberliegenden Seite; der Wildpark setzte sich dann über den Wendehammer der Deer Lane hinaus fort und hatte damit eine weitere Bebauung verhindert. Auch wenn Carmine ziemlich sicher war, dass Charles Ponsonby nicht sportlich genug war, um bei fast zwanzig Grad unter null zu wandern, musste er weitere Wagen in der Nähe postieren: auf der Deer Lane und der Route 133. Seine Leute informierten ihn, dass auf der Deer Lane keine weiteren Autos parkten.
Die Nacht war typisch für solche arktischen Verhältnisse: ein Himmel, der weniger schwarz als vielmehr gesprenkelt indigoblau war, Geflechte und Pailletten leuchtender Sterne und weit und breit keine Wolke zu sehen. Wunderschön! Kein Laut außer von seinen eigenen Zähnen, draußen keine Bewegung oder Taschenlampen, kein Knirschen von Autoreifen auf einer gefrorenen Zufahrt.
Und weil Untätigkeit ihm wesensfremd war, begann Carmine mit einer Idee zu spielen, die ihm exakt in der Sekunde in den Kopf kam, als eine Sternschnuppe ihren feurigen Pfad über das Himmelsgewölbe zog.
Betrachte doch mal die religiöse Seite von allem, Carmine. Lass die dreizehn Mädchen Revue passieren, bis zurück zu Rosita Esperanza, dem ersten Mädchen … zehn von ihnen katholisch. Rachel Simpson war das Kind eines episkopalen Geistlichen. Francine Murray und Margaretta Bewlee waren Baptisten. Doch keines der protestantischen Mädchen gehörte einer
weißen
Kirche an. Was, wenn man Katholizismus und schwarzen Protestantismus zusammenbrachte? Was hast du dann, Carmine? Einen weißen protestantischen Fanatiker! Wir haben das gewaltige Übergewicht katholischer Mädchen aus den Augen verloren, vielleicht weil die Gespenster mit Francine und Margaretta sich von ihnen abzukehren schienen. Über fünfundsiebzig Prozent katholisch plus die Tochter eines schwarzen protestantischen Geistlichen, das Kind einer gemischtrassischen Ehe, und – Margaretta. Margaretta, die eine, die nicht ins Bild passt. Gibt es etwas an der Familie Bewlee, das wir nicht wissen?
Sein Funkgerät stieß einen kurzen, leisen Ton aus, das Signal, dass ein Cop sich seinem Wagen näherte. Ein kurzer Blick auf die Uhr sagte Carmine, dass es fünf Uhr früh war, zu spät, als dass noch etwas passieren könnte, sofern eine nächtliche Entführunggeplant war. Eines war sicher, die Ponsonbys hatten sich nicht gerührt.
Patrick glitt auf den Beifahrersitz und hielt ihm lächelnd eine Thermosflasche hin. »Malvolios Bester. Ich habe mich neben Luigi gestellt und ihn eine frische Kanne aufbrühen lassen, und die Rosinenbagels waren gerade frisch reingekommen.«
»Patsy, ich liebe dich.«
Sie tranken und kauten etwa fünf Minuten, dann erzählte Carmine seinem Cousin von seiner neuen Theorie. Zu seiner großen Enttäuschung hielt Patrick nicht besonders viel von ihr.
»Das Problem ist, dass du jetzt schon so lange an diesem Fall arbeitest, dass du sämtliche Wahrscheinlichkeiten ausgeschöpft hast und dir nur noch die Unwahrscheinlichkeiten bleiben.«
»Es
gibt
einen religiösen Aspekt, und der ist mit dem Faktor Rasse verbunden!«
»Ich gebe dir recht, aber
Weitere Kostenlose Bücher