Ein kalter Mord - McCullough, C: Ein kalter Mord
Sie nur ja nicht, ich könnte nichts finden, dessen ich Sie beschuldigen könnte, wenn ich das wirklich will, und ich verspreche Ihnen, ich werde Sie immer im Auge behalten, solange ich Bulle bin. Eine letzte Sache noch. Wenn Sie das nächste Mal bei Brooks Brothers einkaufen, besorgen Sie Ihrer Mutter und Ihrer Frau etwas Nettes.«
Hörte der Dreckskerl überhaupt zu? Ja, aber nur dem, wovon er vermutete, dass es ihm den Hintern rettete. »Nichts davon hilft mir aber bei meiner Teilhaberschaft.«
»Doch, doch. Vorausgesetzt, Ihre Mutter und Ihre Frau stehen zu Ihnen. Sie drei schaffen es, dass Tamara Vilich wie eine frustrierte Frau dasteht, die einen ganzen Haufen Lügengeschichten erzählt.«
Die Zahnrädchen klackerten. Kynetons Miene hellte sich auf. »Ja, ich verstehe, was Sie meinen! So muss es gemacht werden!«
Einen Augenblick später war Carmine auch schon allein. Keith Kyneton war ohne ein Wort des Dankes losgestürmt, um sein Leben wieder in Ordnung zu bringen.
»Und was, bitte schön«, wollte eine wütende Frauenstimme wissen, »denken Sie eigentlich, was Sie hier tun?«
Carmine zeigte der Krankenschwester, die aussah, als könne sie jeden Moment den Sicherheitsdienst des Krankenhauses verständigen, seine beeindruckende goldene Dienstmarke.
»Ich tue Buße, Ma’am«, sagte er. »Schreckliche Buße.«
Die Welt war einfach wunderschön, wenn sie unter einer frischen Schneedecke lag. Sobald Carmine seine wärmende Oberbekleidung abgelegt hatte, drehte er einen seiner Sessel zu dem großen Fenster, das einen Blick auf den Hafen bot, und knipste sämtliche Lampen aus. Das schrille Gelb der Autobahnbeleuchtung blendete ihn, aber wenn es auf Schnee fiel, war es gleich sanfter, goldener. Das Eis begann sich von der Ostküsteausgehend allmählich auszubreiten, auch wenn die Kais immer noch eine schwarze, hier und da glitzernde Leere waren. Zu viel Wind für lange, sich kräuselnde Reflexionen. Bis Mai würden nun keine Autofähren mehr verkehren.
Was sollte er wegen Desdemona unternehmen? All seine Anträge waren zurückgewiesen worden, seine Entschuldigungsschreiben waren ausnahmslos ungeöffnet zurückgekommen, unter seiner Tür durchgeschoben worden. Bis zu diesem Augenblick wusste er ehrlich und wahrhaftig nicht, warum sie so tödlich beleidigt gewesen war, so unnachgiebig – sicher, er hatte den Bogen überspannt, aber hatte nicht jeder mal eine kleine Auseinandersetzung? Es hatte etwas mit ihrem Stolz zu tun, doch was genau, das entzog sich ihm. Diese Mauer, die verschiedene Nationalitäten errichten konnten, war zu hoch, um auf die andere Seite zu sehen. War es seine Bemerkung, sie solle sich gelegentlich ein neues Kleid kaufen, oder war es einfach, dass er es gewagt hatte, ihr Verhalten mit einem Fragezeichen zu versehen? Hatte er es geschafft, dass sie sich unweiblich fühlte, oder …
»Ich geb’s auf«, sagte er laut, stützte das Kinn auf seiner Hand ab und versuchte, über das Gespenst nachzudenken. Das war sein neuer Name für das Monster, das so gar nichts gemein hatte mit populären Vorstellungen von Monstern.
Kapitel siebzehn
Mittwoch, den 19. Januar 1966
»Ich mache einen Spaziergang, Liebes«, sagte Maurice Finch zu Catherine, als er vom Frühstückstisch aufstand. »Mir ist heute irgendwie nicht danach, zur Arbeit zu gehen, aber ich werde bei meinem Spaziergang darüber nachdenken.«
»Sicher, mach das«, sagte seine Frau und warf einen Blick durch das Fenster auf das Außenthermometer. »Es sind sechsundzwanzig Grad unter null, also zieh dich warm an – und falls du dich entscheidest, arbeiten zu gehen, lass den Wagen auf deinem Rückweg an.« Er wirkte, meinte sie, in letzter Zeit deutlich besser gelaunt, und sie wusste auch, warum. Kurt Schiller war ins Hug zurückgekehrt und hatte Maurice angesprochen, um ihm zu versichern, dass ihr Streit nicht das Geringste mit seinem Selbstmordversuch zu tun gehabt habe. Offensichtlich war er von seiner großen Liebe wegen eines anderen sitzen gelassen worden. Der Nazi-Arsch (an Catherines Meinung über Schiller hatte sich nichts geändert) war nicht ins Detail gegangen, aber sie vermutete, dass Männer, die Männer mochten, genauso verletzlich waren wie Männer, die Frauen mochten; irgend so ein Flittchen – und welche Rolle spielte schon das Geschlecht eines Flittchens? – war es satt geworden, immer angehimmelt zu werden, und brauchte jemanden mit einem dickeren Bankkonto.
Sie beobachtete Maurice vom Fenster aus, während
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