Ein kalter Mord - McCullough, C: Ein kalter Mord
erklären könnte. Sie zeigen, wie sie zur Liebe steht – wie traurig, die Liebe zu hassen! Weil sie weiß, dass Keith ausschließlich wegen Sex da ist. Er liebt Hilda – falls er überhaupt lieben kann.
Tamara erwischte Carmine am Fahrstuhl.
»Wenn Sie sich beeilen, Lieutenant, erwischen Sie Dr. Kyneton zwischen zwei OPs«, sagte sie. »Das Holloman Hospital, neunter Stock. Der beste Weg dorthin ist der Tunnel.«
Er war so gespenstisch wie alle Tunnel. Nach Erkundung des Tunnellabyrinths, in dem die Japse während des Krieges auf manchen Pazifikinseln gelebt hatten, fürchtete Carmine sich vor ihnen und hatte sich beispielsweise in London zwingen müssen, in die Eingeweide der Erde hinabzusteigen, um die Verbindungstunnel zwischen U-Bahn-Linien gehen zu können. Tunnel besaßen so ein böses Knurren, transportierten eine gewisse Entrüstung der aufgebrachten Erde, in die der Mensch eindrang. Ein Tunnel konnte noch so trocken und hell erleuchtet sein, er suggerierte doch immer lauernden Schrecken. Carmine legte die hundert Meter des Hug-Tunnels mit großenSchritten zurück, nahm dann die Abzweigung rechts und erreichte den Keller des Krankenhauses neben der Wäscherei.
Die Operationssäle befanden sich ausschließlich im neunten Stock, aber Dr. Keith Kyneton erwartete ihn vor den Fahrstühlen, ganz in Grün gekleidet, eine Gesichtsmaske aus Baumwolle um den Hals.
»Ich bestehe darauf, dass wir dies privat und vertraulich behandeln«, flüsterte der Neurochirurg. »Schnell, hier hinein!«
»Hier« war ein Lagerraum voller Kartons mit Krankenhausbedarf, ohne einen Stuhl oder eine Atmosphäre, die Carmine sich zunutze machen könnte.
»Miss Vilich hat es Ihnen gesagt, richtig?«, fragte er. »Ich war immer dagegen, dass sie dieses verfluchte Foto machte.«
»Sie hätten es zerreißen sollen.«
»Ach, meine Güte, Lieutenant, Sie verstehen das nicht! Sie wollte es! Tamara ist – ist phantastisch!«
»Das glaube ich Ihnen unbenommen, wenn Sie es gern pervers haben. Schwester Katheter und ihr Klistier. Wer hat damit angefangen?«
»Ich kann mich ehrlich nicht mehr daran erinnern. Wir waren beide betrunken, eine Krankenhausparty, zu der Hilda nicht mitkommen konnte.«
»Wann war das?«
»Vor zwei Jahren. Weihnachten 1963.«
»Wo treffen Sie sich immer?«
»In Tamaras Wohnung. Ich bin sehr vorsichtig, wenn ich komme und gehe.«
»Nirgendwo sonst? Kein kleines Refugium auf dem Land?«
»Nein, nur bei Tamara.«
Plötzlich drehte Kyneton sich um, legte beide Hände auf Carmines Unterarm und klammerte, zitterte, während ihm Tränen übers Gesicht rollten.
»Lieutenant! Sir! Bitte, ich flehe Sie an, erzählen Sie es niemandem! Meine Teilhaberschaft in New York City ist praktisch im Sack, aber wenn die das hier herausfinden, werde ich alles verlieren!«, jammerte er.
Mit seinen Gedanken bei Ruth und Hilda, bei ihren ständigen Opfern für dieses große, verwöhnte Baby, schüttelte Carmine den Griff energisch ab.
»Ihre kostbare Praxis in New York interessiert mich einen Scheißdreck, aber zufälligerweise mag ich Ihre Mutter und Ihre Frau. Sie haben keine von beiden verdient! Ich werde das niemandem gegenüber erwähnen, aber Sie sind doch sicherlich nicht dumm genug, zu glauben, dass Tamara Vilich ebenso nachsichtig sein wird! Sie werden sie abservieren, gleichgültig, wie phantastisch der perverse Sex mit ihr auch immer sein mag, und sie wird sich dafür wie jede andere verschmähte Frau rächen. Morgen wird es jeder wissen, der Ihnen etwas bedeutet. Ihr Professor, Ihre Mutter, Ihre Frau und die New Yorker Mischpoke ebenfalls.«
Kyneton ließ die Schultern hängen, schaute sich vergebens nach einem Stuhl um und hielt sich stattdessen an einem Karton Wattestäbchen fest. »Oh, mein Gott, ich bin erledigt!«
»Kyneton, um Himmels willen!«, fuhr Carmine ihn an. »Sie sind nicht erledigt – noch nicht. Suchen Sie jemanden, der die nächste Operation für Sie übernehmen kann, schicken Sie Ihre Frau nach Hause und folgen Sie ihr. Wenn Sie dann mit ihr und Ihrer Mutter allein sind, gestehen Sie alles. Gehen Sie vor Ihnen auf die Knie und bitten um Verzeihung. Schwören Sie, es nie wieder zu tun. Und verheimlichen Sie nichts. Sie sind ein sprachlich gewandter Schwindler, Sie werden es schon schaffen, die zwei auf Ihre Seite zu holen. Aber Gott helfe Ihnen, wenn Sie diese beiden Frauen in Zukunft nicht anständig behandeln, hören Sie? Im Augenblick beschuldige ich Sie keinerstrafbaren Handlung, aber denken
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