Ein kalter Strom
Ladungen von illegalen Einwanderern und Heroin anfragten.
Er rutschte auf dem Sitz des unauffälligen Opels herum, den er für die Überwachung ausgewählt hatte. Für einen Mann mit breiten Schultern war er nicht gerade gebaut, dachte er. Für dürre Intellektuelle war er in Ordnung, aber nicht für richtige Männer. Halb elf, und kein Anzeichen von irgendeiner Frau, auf die Tadzios Beschreibung passte. Er war seit halb acht da, und keine Frau, die auch nur entfernt wie Katerina aussah, war herausgekommen.
Schade um Katerina
, dachte er. Sie war ja schon etwas Besonderes gewesen. Bestimmt keine hirnlose Puppe, aber auch keine von diesen scharfzüngigen Tussis, die es für besonders schlau hielten, einem Mann wie ihm Contra zu geben. Und außerdem ein Mädel, das großartig aussah. Aber das Beste an ihr war, dass sie Tadzio bei guter Laune hielt. Und wenn Tadzio gut gelaunt war, dann war er auf Draht. Im Moment war der Boss ganz sicher weder lebensfroh, noch hatte er die Dinge im Griff. Irgendwann würde er akzeptieren müssen, dass der Unfall eben nichts weiter gewesen war als einfach ein Unfall. Aber Krasic sah voraus, dass er noch eine Menge Zeit verschwenden musste, bis es so weit war.
Als er noch diesem Gedanken nachhing, ging die Tür des Apartmenthauses auf, und Krasics Kinnlade fiel herunter. Hätte er nicht Katerinas Leiche mit eigenen Augen gesehen, hätte er geschworen, dass sie es war, die jetzt auf die Straße trat. Gut, das Haar war anders, und er meinte auch, diese Frau sei etwas kräftiger, als Katerina je war, aber aus der Entfernung hätte er sie kaum unterscheiden können. »Mist«, sagte er empört. Das zeigte nun doch, dass Tadzios Worte ernst zu nehmen waren.
Was er sah, verblüffte ihn so, dass er fast vergaß, weshalb er hier wartete. Sie war schon ein ganzes Stück an ihm vorbei, als er zu sich kam und aus dem Wagen stieg. Mit den praktischen, flachen Pumps an den langen Beinen waren ihre Schritte flink und sicher. Krasic musste eine andere Position einnehmen, um sie weiter im Auge zu behalten, als sie die Ecke am Olivaer Platz erreichte und rechts einbog.
Als er dort ankam, sah er, dass sie an einem Zeitungskiosk angehalten hatte. Während sie eine englische Zeitung kaufte, mischte er sich unter eine Gruppe an einer Ampel wartender Fußgänger. Dann ging sie die Straße entlang zu dem Café weiter unten. Der optimistische Besitzer hatte ein paar Tische auf den Gehweg gestellt, aber für die meisten Berliner war es noch zu früh im Jahr, um im Freien zu sitzen. Wie sie ging auch Caroline Jackson ins Innere des Cafés.
Krasic zögerte. Vielleicht wollte sie jemanden treffen oder telefonieren. Er hatte nicht vor, schon so früh die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, aber er konnte nicht loslassen. Schnell ging er an dem Café vorbei und sah, dass ungefähr die Hälfte der Tische besetzt war. Wahrscheinlich genug Gäste, um sich verstecken zu können. Er stand da und starrte trübsinnig in ein Schaufenster, nach seiner Uhr fünf Minuten lang, dann ging er zum Café zurück. Er setzte sich an den Tresen, wo er sie von hinten sehen konnte. Der Gedanke, ihr Gesicht nicht anschauen zu müssen, gefiel ihm. Es war verdammt unheimlich, jemanden anzublicken, der einer Person so ähnlich sah, von der man genau wusste, dass sie tot war.
Sie tat nichts Schlimmeres, als ihre Zeitung zu lesen und schwarzen Kaffee zu trinken. Er bestellte einen Espresso und einen Jack Daniels und trank sie extra langsam. Fünfunddreißig Minuten später faltete sie ihre Zeitung zusammen, steckte sie in die Tasche, bezahlte und ging. Krasic, der seine Rechnung schon beglichen hatte, war nahe genug hinter ihr, um zu sehen, wohin sie wollte.
Auf den Ku’damm zu
, dachte er unlustig. Frauen und Geschäfte. Was hatten sie nur davon?
Zwei Stunden später verfolgte er sie immer noch. Sie war in einem halben Dutzend Textilgeschäften gewesen und hatte sich die Designermodelle angesehen. In einem Schallplattenladen hatte sie zwei CD s mit klassischer Musik gekauft und mit niemandem außer den Verkäufern gesprochen. Das hatte ihn vollends fertig gemacht. Gar nicht zu reden davon, dass er sich so fehl am Platz fühlte wie eine Kirsche auf einem Misthaufen. Er würde eine andere Person finden müssen, um sie zu observieren, das war auf jeden Fall klar. Ideal wäre eine Frau. Und wenn das nicht klappte, dann einer von den Kerlen, die sich mehr für Armani als für Armalites und andere automatische Waffen interessierten.
Als sie
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