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Ein kalter Strom

Ein kalter Strom

Titel: Ein kalter Strom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Val McDermid
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in die Nacht hinaus: »Bewaffnete Polizei, keine Bewegung!«
    Das Krachen von splitterndem Holz wurde von der schwachen Brise zu ihnen herübergetragen, dann knallten Rauchpatronen, und Kanister klapperten, die an etwas Hartes stießen. Darauf folgten gedämpfte Rufe und das Geräusch, dem Petra mit Bangigkeit entgegengesehen hatte. Ein einzelner Schuss dröhnte. Entsetzt wandte sie sich zu dem Einsatzleiter um.
    »Schrotflinte«, sagte er lakonisch.
    Dann folgte eine plötzliche Serie von Schüssen aus einem Maschinengewehr. Darauf trat Stille ein. »Was ist los?«, rief Petra.
    »Ich nehme an, der Bauer hat einen Schuss abgefeuert, bevor unsere Leute ihn erwischt haben. Keine Angst, es wird keine Schießerei geben.« Sein Funkgerät rauschte, und er hob es ans Ohr. Petra konnte die Worte nicht verstehen, hörte nur aufgeregte Stimmen. »Ich bin gleich da«, sagte er und klopfte ihr auf die Schulter. »Kommen Sie, es ist vorbei. Sie haben das Mädchen.«
    Sie folgte ihm den Weg entlang. Rauchfahnen zogen aus der offenen Tür, die schief an einem einzelnen Scharnier hing. Als sie das Haus erreichten, kam einer vom Sonderkommando mit einem weinenden Kind auf dem Arm heraus. Petra rannte ihm entgegen und nahm es ihm ab. »Schon gut, Tanja«, sagte sie und streichelte das strähnige, ungewaschene Haar des Mädchens. »Ich bring dich zu deiner Mama.«
    Der Einsatzleiter war nirgends zu sehen. »Was ist passiert?«, fragte Petra den jungen Mann, der Tanja herausgetragen hatte.
    »Der Trottel hat sich seine Schrotflinte geschnappt«, sagte er. »Einer von uns hat Fleischwunden an Arm und Oberschenkel. Nichts Ernstes, glaube ich.«
    »Und was ist mit Matic?«, fragte sie und wiegte die weinende Tanja in ihren Armen.
    Der Polizist machte die traditionelle Geste des Halsabschneidens, indem er mit dem Zeigefinger über die Kehle fuhr. »Wir hatten keine andere Wahl. Aber es ist trotzdem blöd. Nach den Reaktionen, die wir auf so etwas kriegen, könnte man meinen, wir wären die halbe Zeit unterwegs und würden Leute nur so zum Spaß abknallen.«
    »Man hat keine andere Wahl, wenn jemand eine Waffe auf einen richtet«, stimmte Petra zu. »Hören Sie, ich will Tanja von hier wegbringen. Sagen Sie bitte Ihrem Chef, dass ich gegangen bin? Wir werden noch eine richtige Nachbesprechung machen müssen, aber das hat Zeit bis morgen.«
    Er nickte. »Ich richte es aus.«
    Petra entfernte sich von dem Bauernhof und wünschte, ihr Wagen wäre mehr in der Nähe geparkt. Tanja wurde mit jedem Schritt schwerer, und sie wusste nicht, ob sie sie bis dorthin tragen konnte.
Was für ein Tag
, dachte sie und stapfte weiter. Einen Moment überlegte sie, wie Carol wohl zurechtkam. Sie vermutete, dass sie bei ihren E-Mails einen Bericht über das Treffen mit Radecki am Tag zuvor finden würde, aber es war ausgeschlossen, dass sie in den nächsten zwei Stunden dazu kommen würde, ihn zu lesen. Jetzt musste sie Tanja sicher unterbringen und dafür sorgen, dass der Unterschlupf bewacht wurde. Morgen würde sie die erste Serie von Gesprächen mit Marlene arrangieren, und sie hoffte, dass sie so viel herausfinden konnten, dass Radecki in Deutschland und nicht im liberalen Holland vor Gericht gestellt wurde.
    Es gab so viel zu tun. Aber all dies würde der Mühe wert sein, wenn sie dann im Gericht sitzen und zusehen könnte, wie Radecki für sehr lange Zeit verschwinden würde.
    Sie grinste trotz ihrer Rückenschmerzen. Mein Gott, sie liebte diesen Beruf.
     
    Carol gelang es endlich, den Abend zu genießen. Marijke hatte sie darüber auf dem Laufenden gehalten, womit alle beschäftigt waren, und sie war frustriert, dass sie nicht helfen konnte. Aber es hatte keinen Sinn, sich zu ärgern, sagte sie sich. Also hatte sie ein langes, luxuriöses Bad genommen, nach dem sie sich so entspannt fühlte wie noch nie seit ihrer Ankunft in Berlin. Sie hatte entdeckt, dass sie auf dem Fernseher in der Wohnung einen Kabelkanal empfangen konnte, der abends Filme auf Englisch ausstrahlte. Sie lag ausgestreckt auf der Couch, trug Caroline Jacksons Seidenkimono und genoss neben einer Flasche Sancerre den schwarzen Humor von
Shallow Grave
 –
Kleine Morde unter Freunden
.
    Der Film hatte gerade die Stelle erreicht, wo Christopher Eccleston sich mit dem Geld im Speicher versteckte, als die Sprechanlage summte. Überrascht schaltete sie den Ton des Fernsehers aus und rollte sich träge zur Seite, stand auf und ging in den Flur. Es konnte eigentlich nur Radecki sein, dachte

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