Ein kalter Tag im Paradies – DuMonts Digitale Kriminal-Bibliothek: Alex-McKnight-Serie (German Edition)
zufällig seinen Namen?«
»Nein, den weiß ich nicht. Ich bin mir aber auch nicht sicher, ob es dem Chief recht ist, wenn ich darüber spreche.«
»Wegen dem Chief machen Sie sich mal keine Gedanken«, sagte ich. »Er und ich sind ganz alte Kumpel.«
»Aha«, sagte er. Er klang nicht überzeugt.
»Ich frage mich bloß, ob irgend jemand letzte Nacht hier etwas Verdächtiges gesehen hat. Ein neues Gesicht im Restaurant oder so.«
»Darüber müßten Sie mit einem der Detectives sprechen«, erwiderte er. »Oder mit Ihrem alten Kumpel, dem Chief.«
»Kein Problem«, sagte ich. »Ich hab mich bloß so gefragt. Übrigens, könnten Sie mir vielleicht einen Gefallen tun?«
»Was für einen?«
»Erzählen Sie Chief Maven nicht, daß ich hier war, klar?«
Beide lachten und schüttelten die Köpfe, als ich ging. Ich stieg in den Wagen, saß ganz lange da und überlegte, was zum Teufel ich als nächstes tun sollte. Schließlich fuhr ich auf der Brücke über den Kanal und auf dem Loop zur Three Mile Road. Das Riverside Motel sah bei Tage keineswegs besser aus. Und näher an den Fluß gerückt war es auch nicht.
Ich konnte sehen, daß das Betreten von Zimmer sechs immer noch verboten war; das gelbe Band war noch an der Tür. Ich konnte mir nicht vorstellen, daß das für den Besitzer sonderlich geschäftsfördernd war. Ich fand ihn im Büro. Er saß hinter seinem Schreibtisch und sah fern.
»Guten Morgen«, sagte er. »Sie wollen ein Zimmer?« Ich mußte daran denken, wie er in der kalten Nacht im Schlafanzug und in Stiefeln draußen gestanden hatte.
»Nein, Sir«, sagte ich. »Mein Name ist Alex McKnight. Ich bin Privatdetektiv. Ich war … ich war Samstagnacht hier. Ich war es, der die Polizei gerufen hat.«
»Ach so«, sagte er und stellte den Ton am Fernseher leiser.
»Ich will Sie nicht stören«, entschuldigte ich mich. »Ich möchte nur wissen, ob Sie vor dieser Nacht etwas Ungewöhnliches bemerkt haben. Haben Sie irgendwelche Fremden hier gesehen?«
»Hier ist fast jeder ein Fremder«, sagte er. »Das hier ist ein Motel. Der einzige, den ich hier jemals mehr als einmal gesehen habe, war Mr. Bing. Er hat hier fast ein ganzes Jahr gewohnt.«
»Verstehe. Aber war an dem Tag irgendwer hier, der … außergewöhnlich aussah oder irgendwie fehl am Platze war?«
»Er hatte zu jeder Tageszeit Leute, die zu ihm kamen«, sagte er. »Das habe ich auch der Polizei gesagt. Ich wußte, daß er Buchmacher war, aber alles Weitere ging mich nichts an. Er hat jede Woche seine Rechnung bezahlt.«
»Das mag sich komisch anhören«, fuhr ich fort, »aber haben Sie in letzter Zeit jemand mit einer großen blonden Perücke gesehen. Ich meine einen Mann.«
»Einen Mann mit einer Perücke? Wovon reden Sie? Warum muß ich überhaupt weitere Fragen beantworten? Alles, was ich weiß, habe ich der Polizei schon erzählt.«
»Ich weiß, Sir. Ich weiß, wie schwierig das für Sie gewesen sein muß. Ich bin nur an einer persönlichen Sache dran.«
»Keine Männer mit Perücken«, erklärte er. »Und Frauen auch nicht.« Er stellte den Ton an seinem Fernseher wieder lauter; ich verstand den Hinweis, dankte dem Mann und ging.
Bevor ich zu meinem Wagen zurückkehrte, ging ich zur Tür von Zimmer sechs. Ich stand da und versuchte mir vorzustellen, wie es passiert sein könnte. Die Tür war nicht verschlossen, hatte Edwin gesagt. Bing sah so aus, als sei er soeben aus dem Badezimmer gekommen. War der Schalldämpfer schon auf der Pistole gewesen, oder hatte der Mann exakt hier gestanden und ihn aufgeschraubt? Reingehen, den Mann ins Gesicht schießen. Messer rausholen, Kehle von Ohr zu Ohr durchschneiden. Ich blickte auf den Boden. Sie hatten das Blut aufgewischt. Wie mochte der Raum jetzt aussehen? Hatten Sie wirklich das ganze Blut vom Boden weggekriegt? Konnte man in den Raum gehen und nicht wissen, daß dort jemand getötet worden war? Ich drehte am Türknopf. Er war verschlossen. Ich wollte zum Büro gehen und den Mann fragen, ob er für mich aufschließen könne.
Aber dann dachte ich: Nein. Ich will diesen Raum nicht wiedersehen. Im Grunde will ich nie wieder ein Motelzimmer sehen …
Ich fuhr in den Norden der Stadt zurück und hielt wieder vor dem Mariner’s Tavern. Ich wollte den Mann an der Bar noch mal sprechen und ihn fragen, ob ihm zu dem Abend etwas eingefallen war, als Edwin dort Tony Bing getroffen hatte. So hatte ich mir das jedenfalls zurechtgelegt. Als ich hinkam, hatten sie offen, und der Mann am Tresen war
Weitere Kostenlose Bücher