Ein Kampf um Rom
ausstreckend.
»Nein, Valerius«, sagte Totila, die Geliebte fester an sich drückend, »ihr Platz ist forthin an dieser Brust.«
»Verwegner Gote!«
»Höre mich, Valerius, und zürne uns nicht um dieser Täuschung willen. Du hast es selbst gehört, schon morgen sollte sie enden.«
»Zu deinem Glück hab’ ich’s gehört. Gewarnt von dem ältesten meiner Freunde, wollt’ ich doch kaum glauben, daß meine Tochter
– mich hintergeht. Als ich’s glauben mußte, beschloß ich, daß dein Blut deine List bezahlen sollte. Dein Entschluß hat dein
Leben gerettet. Jetzt aber flieh: du siehst ihr Antlitz niemals wieder.« –
Totila wollte heftig erwidern, aber Valeria kam ihm zuvor:
»Vater«, sprach sie ruhig, zwischen die Männer tretend, »höre dein Kind. Ich will meine Liebe nicht entschuldigen, sie bedarf
es nicht, sie ist göttlich und notwendig wie die Sterne: die Liebe zu diesem Mann ist das Leben meines Lebens. Du kennst meine
Seele: Wahrheit ist ihr Äther, und ich sage dir, bei meiner Seele: nie werd’ ich lassen von diesem Mann!«
»Und niemals ich von ihr«, rief Totila und ergriff ihre Rechte. Hochaufgerichtet stand das junge Paar, vom Licht des Mondes
vollbeleuchtet, vor dem Alten: ihre edeln Züge und Gestalten trugen im Augenblick die Weihe heiliger Begeisterung: und so
schön war die Gruppe, daß ein rührendes, erweichendes Gefühl davon sich unwillkürlich dem zürnenden Vater aufdrängte.
»Valeria, mein Kind!«
»O mein Vater! Du hast mit einer Liebe und Treue all meine Schritte geleitet, daß ich bisher die Mutter, die verlorne, zwar
beklagte, aber kaum vermißte. Jetzt, in dieser Stunde, vermiß’ ich sie zum erstenmal: jetzt, ich fühl’ es, bedürfte ich ihrer
Fürsprache. O so laß ihr Andenken wenigstens für mich sprechen. Laß mich dir ihr Bild vor die Seele führen und dich an den
Augenblickerinnern, da dich die Sterbende zum letzten Mal an ihr Lager rief und dir, wie du mir oft gesagt, mein Glück auf die Seele
band als heiligstes Vermächtnis. –«
Valerius drückte die linke Hand vor die Stirn; seine Tochter wagte, die andre zu fassen, er entzog sie ihr nicht: offenbar
rang es gewaltig in des Alten Brust. Endlich sprach er:
»Valeria, du hast ein mächtig Wort gesprochen, ohne es zu wissen. Es wäre unrecht, dir zu verschweigen, was du ahnungsvoll
berührt. Erfahre, was deine Mutter in jener Sterbestunde mir auferlegt. Noch immer drückte ihre Seele jenes Gelübde, das wir
doch lange abgelöst. ›Soll unser Kind nicht die Braut des Himmels werden‹, sprach sie, ›so gelobe mir wenigstens, die Freiheit
ihrer Wahl zu ehren. Ich weiß, wie römische Mädchen, zumal die Töchter unsres Standes, in die Ehe gegeben werden, ungefragt,
ohne Liebe: ein solcher Bund ist ein Elend auf Erden und ein Greu’l vor dem Herrn. Meine Valeria wird edel wählen – gelobe
mir, sie dem Mann ihrer Wahl anzuvertrauen und keinem sonst.‹ Und ich gelobte es in ihre bebende Hand.– Aber mein Kind einem
Barbaren geben, einem Feind Italiens, nein, nein!«
Und mit heftiger Armbewegung riß er sich von ihr los.
»Ich bin vielleicht so gar barbarisch nicht, Valerius«, hob Totila an. »Wenigstens bin ich in meinem ganzen Volk der wärmste
Freund der Römer. Glaube mir, nicht euch hasse ich: die ich verabscheue, sind eure wie unsre verderblichsten Feinde – die
Byzantiner!«
Das war ein glückliches Wort. Denn in dem Herzen des alten Republikaners war der Haß gegen Byzanz die Kehrseite seiner Liebe
zur Freiheit und zu Italien. Er schwieg, aber sein Auge ruhte sinnend auf dem Jüngling.
»Mein Vater«, sprach Valeria, »dein Kind würde keinen Barbaren lieben. Lern ihn kennen: und schiltst du ihn dann noch barbarisch
– so will ich nie die Seine werden. Ich fordre nichts von dir als: lern ihn kennen: entscheide du selbst, ob meine Wahl edel
sei oder nicht. Ihn lieben alle Götter, und alle Menschen müssen ihm gut sein – du allein wirst ihn nicht verwerfen.«
Und sie faßte seine Hand.
»O lerne mich kennen, Valerius«, bat Totila, innig seine andre Hand ergreifend.
Der Alte seufzte. Endlich sprach er: »Kommt mit mir zum Grabe der Mutter. Dort ragt es unter den Cypressen. Da ruht die Urne
mit ihrem Herzen. Dort laßt uns ihrer gedenken, der edelsten Frau, und ihren Schatten anrufen. Und ist es echte Liebe und
eine edle Wahl – so werd’ ich erfüllen, was ich gelobt.«
Vierundzwanzigstes Kapitel
Einige Wochen später finden wir zu
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