Ein Kampf um Rom
Versammelten nach dem Palast. Sie fanden auf den Straßen eine Menge Volks in Bestürzung
und Entrüstung hin und her wogend, die Nachricht war in die Stadt gedrungen und flog von Haus zu Haus. Als man den Gesandten
des Kaisers und die Vornehmen der Stadt erkannte, öffnete sich die Menge vor ihnen, schloß sich aber dicht hinter ihnen wieder
und flutete nach auf dem Wege in den Palast, von dessen Toren sie kaum abgehalten wurde.
Von Minute zu Minute stieg die Zahl und der Lärm des Volkes: auf dem Forum des Honorius drängten sich die Ravennaten zusammen,
welche mit der Trauer um ihre Beschützerin schon die Hoffnung vereinten, bei diesem Anlaß die Barbarenherrschaft fallen zu
sehen: das Erscheinen des kaiserlichen Gesandten steigerte diese Hoffnung, und der Auflauf vor dem Palast nahm mehr und mehr
eine Richtung, welche keineswegs bloß Theodahad und Gothelindis bedrohte.
Inzwischen eilte Petros mit seiner Begleitung in das Gemach des hilflosen Königs, welchen mit seiner Gattin alle Kraft des
Widerstandes verlassen hatte: er zagte vor der Aufregung der unten wogenden Menge und hatte nach Petros gesendet, von ihm
Rat und Hilfe zu erlangen, da ja dieser es gewesen, der mit Gothelindis den Untergang der Fürstin beschlossen und die Art
der Ausführung beraten hatte: er sollte ihm jetzt auch die Folgen der Tat tragen helfen. Als daher der Byzantiner auf der
Schwelle erschien, eilte er, beide Arme ausbreitend, auf ihn zu: aber erstaunt blieb er plötzlich stehen: erstaunt über die
Begleitung, noch mehr erstaunt über die finster drohende Miene des Gesandten.
»Ich fordre Rechenschaft von dir, König der Goten«, rief dieserschon an der Türe, »Rechenschaft im Namen von Byzanz für die Tochter Theoderichs. Du weißt, Kaiser Justinian hat sie seines
besondern Schutzes versichert: jedes Haar ihres Hauptes ist daher heilig und heilig jeder Tropfen ihres Bluts. Wo ist Amalaswintha?«
Der König sah ihn staunend an. Er bewunderte diese Verstellungskunst. Aber er begriff ihren Zweck nicht. Er schwieg.
»Wo ist Amalaswintha?« wiederholte Petros, drohend vortretend, und sein Anhang folgte ihm einen Schritt.
»Sie ist tot«, sagte Theodahad, ängstlich werdend.
»Ermordet ist sie«, rief Petros, »so ruft ganz Italien, ermordet von dir und deinem Weibe. Justinian, mein hoher Kaiser, war
der Schirmherr dieser Frau, er wird ihr Rächer sein: Krieg künd’ ich dir in seinem Namen an, Krieg gegen euch, ihr blutigen
Barbaren, Krieg gegen euch und euer ganz Geschlecht.«
»Krieg gegen euch und euer ganz Geschlecht!« wiederholten die Italier, fortgerissen von der Gewalt des Augenblicks, und den
alten, langgenährten Haß entzügelnd: und wie eine Woge brausten sie heran auf den zitternden König.
»Petros«, stammelte dieser entsetzt, »du wirst gedenken des Vertrages, du wirst doch –«
Aber der Gesandte zog eine Papyrosrolle aus dem Mantel und riß sie mitten durch. »Zerrissen ist jedes Band zwischen meinem
Kaiser und diesem blutbefleckten Haus. Ihr selber habt durch eure Greueltat alle Schonung verwirkt, die man euch früher gewährt.
Nichts von Verträgen. Krieg!«
»Um Gott«, jammerte Theodahad, »nur nicht Krieg und Kampf! Was forderst du, Petros?«
»Unterwerfung! Räumung Italiens! Dich selber und Gothelindis lad’ ich zum Gericht nach Byzanz vor den Thron Justinians, dort –«
Aber seine Rede unterbrach der schmetternde Ruf des gotischen Kriegshorns, und in das Gemach eilte mit gezognen Schwertern
eine starke Schar gotischer Krieger, von Graf Witichis geführt. Die gotischen Führer hatten sofort auf die Nachricht von Amalaswinthens
Untergang die tüchtigsten Männer ihres Volks in Ravenna zu einer Beratung vor die Porta Romanabeschieden und dort Maßregeln der Sicherung und der Gerechtigkeit beraten. Zur rechten Zeit erschienen sie jetzt auf dem Forum
des Honorius, wo der Auflauf immer drohender wurde: schon blinkte hier und dort ein Dolch, schon ertönte manchmal der Ruf:
»Wehe den Barbaren.«
Diese Zeichen und Stimmen verschwanden sofort, als nun die verhaßten Goten in geschlossnem Zug von dem Forum des Hercules
her durch die Via Palatina anrückten: ohne Widerstand zogen sie quer durch die grollenden Haufen, und indessen Graf Teja und
Hildebad die Tore und die Terrasse des Palastes besetzten, waren Graf Witichis und Hildebrand grade rechtzeitig im Gemache
des Königs angelangt, die letzten Worte des Gesandten noch zu hören. Ihr Zug stellte
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