Ein Kampf um Rom
lieb«, sagte Cethegus, ihm nachsehend. »Und mir geht’s wie andern Menschentoren:– mir tut das wohl.
Und nicht bloß, weil ich ihn dadurch beherrsche.«
Da hallten feste Schritte auf dem Marmor des Vestibulums, und ein Tribun der Milites ward gemeldet. Es war ein junger Krieger
mit edeln, aber über seine Jahre hinaus ernsten Zügen. In echt römischem Schnitt setzten die Wangenknochen, fast im rechten
Winkel, an die grade, strenge Stirn: in dem tiefeingelassnenAuge lag römische Kraft und – in dieser Stunde – entschlossner Ernst und rücksichtsloser Wille.
»Siehe da, Severinus, des Boëthius Sohn, willkommen, mein junger Held und Philosoph. Viele Monate habe ich dich nicht gesehn
– woher kommst du?«
»Vom Grabe meiner Mutter«, sagte Severinus mit festem Blick auf den Frager.
Cethegus sprang auf.
»Wie? Rusticiana? meine Jugendfreundin! meines Boëthius Weib!«
»Sie ist tot«, sagte der Sohn kurz.
Der Präfect wollte seine Hand fassen. Severinus entzog sie. »Mein Sohn, mein armer Severinus! Und starb sie – ohne ein Wort
für mich?«
»Ich bringe dir ihr letztes Wort – es galt dir!«
»Wie starb sie? an welchem Leiden?«
»An Schmerz und Reue.«
»Schmerz –« seufzte Cethegus, »das begreif ’ ich. Aber was sollte sie bereuen! Und mir galt ihr letztes Wort! – sag an, wie lautet
es?«
Da trat Severinus hart an den Präfecten, daß er sein Knie berührte, und blickte ihm bohrend ins Auge. »Fluch, Fluch über Cethegus,
der meine Seele vergiftet und mein Kind.«
Ruhig sah ihn Cethegus an. »Starb sie im Irrsinn?« fragte er kalt.
»Nein, Mörder: sie lebte im Irrsinn, solang sie dir vertraute. In ihrer Todesstunde hat sie Cassiodor und mir gestanden, daß
ihre Hand dem jungen Tyrannen das Gift gereicht, das du gebracht. Sie erzählte uns den Hergang. Der alte Corbulo und seine
Tochter Daphnidion stützten sie. ›Spät erst erfuhr ich‹, schloß sie, ›daß mein Kind aus dem tödlichen Becher getrunken. Und
niemand war da, Camilla in den Arm zu fallen, als sie trinken wollte. Denn ich war noch im Boot auf dem Meere und Cethegus
noch in dem Platanengang.‹ Da rief der alte Corbulo erbleichend: ›Wie? der Präfect wußte, daß der Becher Gift enthielt?‹ –
›Gewiß‹, antwortete meine Mutter. ›Als ich ihn im Garten traf, sagt’ ich es ihm: ›es ist geschehen.‹ Corbulo verstummtevor Entsetzen: aber Daphnidion schrie in wildem Schmerz. ›Weh! meine arme Domina! so hat er sie ermordet! Denn er stand dabei,
dicht neben mir, und sah zu, wie sie trank.‹ – ›Er sah zu, wie sie trank?‹ fragte meine Mutter mit einem Tone, der ewig durch
mein Leben gellen wird. ›Er sah zu, wie sie trank!‹ wiederholten der Freigelassne und sein Kind. ›O so sei den untern Dämonen
sein verfluchtes Haupt geweiht! Rache, Gott, in der Hölle, Rache, meine Söhne, auf Erden für Camilla! Fluch über Cethegus!‹
Und sie fiel zurück und war tot.«
Der Präfect blieb unerschüttert stehen. Nur griff er leise an den Dolch unter den Brustfalten der Tunica. »Du aber« – fragte
er nach einer Pause – »was tatest du?«
»Ich aber kniete nieder an der Leiche und küßte ihre kalte Hand und schwor ihr’s zu, ihr Sterbewort zu vollenden. Wehe dir,
Präfect von Rom: Giftmischer, Mörder meiner Schwester – du sollst nicht leben.«
»Sohn des Boëthius, willst du zum Mörder werden um die Wahnworte eines läppischen Sklaven und seiner Dirne? Würdig des Helden
und des Philosophen!«
»Nichts von Mord. Wäre ich ein Germane, nach dem Brauche dieser Barbaren – er dünkt mir heute sehr vortrefflich – rief ’ ich
dich zum Zweikampf, du verhaßter Feind. Ich aber bin ein Römer und suche meine Rache auf dem Wege des Rechts. Hüte dich, Präfect,
noch gibt es Richter in Italien. Lange Monate hielt mich der Krieg, der Feind von diesen Mauern ab.– Erst heute habe ich Rom,
von der See her, erreicht: und morgen erheb’ ich die Klage bei den Senatoren, die deine Richter sind – dort finden wir uns
wieder.«
Cethegus vertrat ihm plötzlich den Weg an die Türe. Aber Severinus rief:
»Gemach, man sieht sich vor mit Mördern. Drei Freunde haben mich an dein Haus begleitet.– Sie werden mich mit den Lictoren
suchen, komm’ ich nicht wieder, noch in dieser Stunde.«
»Ich wollte dich nur«, sagte Cethegus wieder ganz ruhig, »vor dem Wege der Schande warnen. Willst du den ältesten Freund deines
Hauses um der Fieberreden einer Sterbenden
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