Ein Kampf um Rom
mit seinem Häuflein die Flucht der Tausende
aufzuhalten. Eine Zeitlang sah er unschlüssig dem Gewoge zu. Schon wurden die gotischen Verfolger in der Ferne sichtbar. Da
erreichte ihn verwundet Vitalius, ein Heerführer des Demetrius.
»O Freund«, rief ihn dieser an. »Da ist kein Halten mehr! Das flutet fort bis Ravenna.«
»Ich glaub’ es selbst«, sprach Cethegus. »Sie werden die Meinen eher mit sich fortreißen als stehen.«
»Und doch verfolgt uns nur die Hälfte der Sieger, unter Teja und Hildebrand. Der König wandte noch auf dem Schlachtfeld um.
Ich sah ihn abziehen. Er schwenkte nach Südwesten.«
»Wohin?« frug Cethegus aufmerksam, »sag noch mal an! In welcher Richtung?«
»Nach Südwesten bog er aus!«
»Er will nach Rom!« rief Cethegus und riß den Hengst herum, daß er hochbäumend stieg. »Folgt mir! zur Küste!«
»Und das geschlagne Heer? ohne Führer!« rief Lucius Licinius, »sieh, wie sie fliehen!«
»Laß sie fliehen! Ravenna ist fest! Es wird sich halten. Hört ihr denn nicht? Der Gote will nach Rom! Wir müssen vor ihm dort
sein. Folgt mir! an die Küste, der Seeweg ist frei! Nach Rom!«
Drittes Kapitel
Lieblich ist – und weitberühmt ob seiner Lieblichkeit – das Tal, in welchem die Passara von Norden her in die von Westen nach
Südosten eilende Athesis rinnt. Wie eine vorgebeugte, nach dem schönen Südland sehnende Gestalt, neigt sich in der Ferne auf
dem rechten Ufer die Mendola herab.
Hier, oberhalb des Einlaufs der Passara, lag die römische Siedlung Mansio Majä. Noch etwas weiter flußaufwärts, auf beherrschendem
Fels, die Burg Teriolis. Heute heißt – von einer Berg-»Mur« oder -»Mar« (Rutsche) – die Stadt Meran. Die Burg hat der Grafschaft
Tirol den Namen gegeben. »Mansio Majä« klingt heute noch fort in dem Orte Mais, dem villenreichen. Damals aber lag in dem
Castrum Teriolis ostgotische Besatzung: wie in all den alten rhätischen Felsennestern am Athesis, Isarcus und Oenus zur Niederhaltung
der nur halb unterworfnen Sueven, Alamannen und Markomannen oder, wie sie bereits genannt wurden: »Bajuvaren«, welche in Rhätien,
am Licus und am untern Lauf des Oenus saßen.
Aber auch abgesehen von der Besatzung der Castelle waren gerade hier in dem fruchtreichen milden Tal, auf den nicht allzu
schroffen, weidereichen Berghöhen ostgotische Sippen in großer Zahl angesiedelt worden. Noch heute zeichnet die Bauern vom
Meraner, Ultner und Sarntal eine seltne, edle, ernste Schönheit aus. Viel feiner, vornehmer und vertiefter als der bajuvarische
Schlag an Inn, Lech und Isar sind die schweigsamen Leute.
Mundart und Sage bestätigen die Annahme, daß hier ein Rest verschonter Goten fortblüht. Denn die Amelungensage, Dietrich von
Bern und der Rosengarten lebt noch in den Ortsnamen und der Überlieferung des Volks.
Auf einem der höchsten Berge an dem linken Ufer der Athesis hatte sich voreinst der Gote Iffa niedergelassen: sein Geschlecht
baute da fort. Der »Iffinger« heißt heute noch der Berg. Auf dem Südabhang in halber Höhe des Berges war die schlichte Siedelung
errichtet. Der gotische Einwanderer hatte bereits Kulturen hier angetroffen. Das rhätische Alpenhaus, das schon Drusus vorgefunden,
als er die rasenischen Bergvölker bezwang, charakteristisch und wohlgeeignet für die Alpen, hatte auf den Höhen keine Änderungen
erfahren durch die römische Eroberung, welche im Tal ihre Villen baute und auf den beherrschenden Felshügeln ihre Warttürme.
Die ganz romanisierten Bewohner des Etschtales waren nach der ostgotischen Einwanderung ruhig in ihren Sitzen geblieben.Denn nicht hier, sondern weiter östlich, von der Save her, über den Isonzo, waren die Goten in der Halbinsel eingedrungen,
und erst, nachdem Ravenna und Odovakar gefallen, hatte Theoderich in friedlich geregelter Ordnung seine Scharen auch über
Norditalien und das Etschland verbreitet. So hatten auch Iffa und die Seinen auf dem damals noch rasenisch benannten Berg
sich mit den vorgefundnen römischen Ansässigen friedlich geteilt.
Ein Drittel von Ackerland, Wiese und Wald, den dritten Teil von Haus, Sklaven und Vieh hatte auch hier, wie überall, der gotische
Ankömmling vom römischen Wirt in Anspruch genommen. Im Lauf der Jahre jedoch hatte der römische Hospes diese nahe unfreiwillige
Nachbarschaft mit den Barbaren unbequem gefunden. Er überließ den Goten gegen dreißig Paare der ausgezeichneten, aus Pannonien
mitgeführten Rinder,
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