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Ein Kampf um Rom

Ein Kampf um Rom

Titel: Ein Kampf um Rom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felix Dahn
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schwankenden Zweigen zur
     Erde. Rasch schritt sie auf das Dickicht zu. Und sieh, aus dem Gebüsch trat ihr mit Jagdtasche und Wurfspeer ein junger Jäger
     entgegen.
    »Ich bin entdeckt«, sagte er mit leiser, schüchterner Stimme, anmutig in seiner Beschämung.
    Aber mit einem Schreckensruf fuhr Camilla zurück: »Athalarich« – stammelte sie – »der König!«
    Eine ganze Meerflut von Gedanken und Gefühlen wogte ihr durch Haupt und Herz, und halb ohnmächtig sank sie auf den Rasenhang
     neben der Quelle.
    Der junge König stand in Schrecken und Entzücken sprachlos einige Sekunden vor der hingegossnen zarten Gestalt: durstig sog
     sein brennendes Auge die schönen Züge, die edeln Formen ein: flüchtiges Rot schoß zuckend wie Blitze über sein bleiches Gesicht:
    »O sie – sie ist mein heißer Tod« – hauchte er, endlich beide Hände an das pochende Herz drückend – »jetzt sterben,– sterben
     mit ihr.«
    Da regte sie den Arm. Das brachte ihn zur Besinnung zurück. Er kniete neben ihr nieder und sprengte das kühle Naß des Brunnens
     auf ihre Schläfe. Sie schlug die Augen auf: »Barbar   – Mörder!« schrie sie gellend, stieß seine Hand zurück, sprang auf und floh wie ein gescheuchtes Reh hinweg.
    Athalarich folgte ihr nicht.
    »Barbar   – Mörder«, hauchte er in tiefstem Schmerz vor sich hin. Und er verbarg die glühende Stirn in den Händen.

Sechstes Kapitel
    Camilla kam in so hoher Aufregung nach Hause, daß Daphnidion sich’s nicht nehmen ließ, die Domna müsse die Nymphen oder gar
     den altehrwürdigen Waldgott Picus selbst gesehen haben. Aber das Mädchen warf sich in wilder Bewegung in die Arme der erschrockenen
     Mutter. Der Kampf verworrener Gefühle löste sich in einem Strom von heißen Tränen, und erst spät vermochte sie, den besorgten
     Fragen Rusticianas Antworten und Aufschluß zu geben.
    In der tiefen Seele dieses Kindes wogte ein schweres Ringen. Es war dem am Hofe zu Ravenna heranreifenden Mädchen nicht ganz
     entgangen, daß der schöne, bleiche Knabe oft mit seltsamem, träumendem Blick die dunkeln Augen auf ihr ruhen ließ, daß er
     wie mit Andacht dem Tonfall ihrer Stimme lauschte. Aber niemals war diese Ahnung inneren Wohlgefallens ihr bestimmt ins Bewußtsein
     getreten; der Prinz, scheu und verschlossen, hatte die Augen niedergeschlagen, wenn sie ihn über einem solchen Blick ertappte
     und ihn unbefangen fragend ansah: waren sie doch beide damals beinahe noch Kinder.
    Sie wußte nicht zu nennen, was in Athalarich vorging – kaum wußte er es selbst – und nie war es ihr eingefallen, nachzudenken,
     warum auch sie gern in seiner Nähe lebte, gern dem kühnen, von der Art aller andrer Gespielen abweichenden Flug seiner Gedanken
     oder Phantasien folgte, gern auch schweigend neben dem Schweigenden im Abendlicht durch die stillen Gärten wandelte, wo er
     oft mitten aus seinen Träumereien abgerissne, aber immer sinnige Worte zu ihr sprach, deren Poesie, die Poesie schwärmerischer
     Jugend, sie so völlig verstand und würdigte.
    In das zarte Weben dieser knospenden Neigung schlug nun die Katastrophe ihres über alles geliebten Vaters. Und nicht nur sanfte
     Trauer um den Gemordeten, glühender Haß gegen die Mörder ergriff die Seele der leidenschaftlichen Römerin. Von jeher hatte
     Boëthius, selbst in der Zeit seiner höchsten Gunst am Hofe, ein hochmütiges Herabsehen auf das Barbarentum der Goten zur Schau
     getragen, und seit der Katastrophe natürlich atmete die ganze Umgebung Camillas, die Mutter, diebeiden rachedurstenden Brüder, die Freunde des Hauses, nur Haß und Verachtung: nicht nur gegen den blutigen Mörder und Tyrannen
     Theoderich, nein, gegen alle Goten und vorab gegen Tochter und Enkel des Königs, die seine Schuld zu teilen schienen, weil
     sie dieselbe nicht verhindert. So hatte das Mädchen Athalarichs fast gar nicht mehr gedacht. Und wenn er genannt wurde, oder
     wenn, was ihr manchmal begegnete, sein Bild im Traume vor ihre Seele trat, so gipfelte all ihr Haß gegen die Barbaren in höchstem
     Abscheu gegen ihn. Vielleicht gerade deshalb, weil im geheimsten Grund ihres Herzens jetzt eine widerstrebende Ahnung von
     jener Neigung zitterte, welche sie zu dem schönen Königssohn gezogen.–
    Und nun – nun hatte es der Frevler gewagt, ihr argloses Herz mit tückischem Streich zu treffen! Sie hatte, sowie sie ihn aus
     dem Dickicht schreiten sah, sowie sie ihn erkannte, blitzschnell erfaßt, daß er es war, der, wie die Fassung der

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