Ein Kampf um Rom
Und sie lauteten:
›Gebt Raum, ihr Völker, unserm Schritt!
Wir sind die letzten Goten:
Wir tragen keine Krone mit –
Wir tragen einen Toten.
Mit Schild an Schild und Speer an Speer
Wir ziehn nach Nordlands Winden,
Bis wir im fernsten grauen Meer
Die Insel Thule finden.
Das soll der Treue Insel sein –
Dort gilt noch Eid und Ehre:‹ ––
So viel vernahm ich von dem Totengesang.– Da weckte mich das Heerhorn der gotischen Wache, welche der sorgsame König nachts
durch die Straßen ziehen läßt. Du aber merke dir diesen Anfang: vielleicht kommt der Tag, da du’s zu Ende singst. Du hast
ja in kurzer Zeit so viel gelernt, daß du bald harfenkund’ger und liedkund’ger bist denn ich.«
»Wenn du mich nur auch lehren könntest, solche Streiche zu führen wie du.«
»Das wächst mit den Jahren, ja mit den Wochen. Du hast genug getan für deine siebzehn Jahre. Wäre dem wackern Witichis ein
Helfer zur Seite gesprungen, ehe der römische Dichter den Stein auf ihn warf im Grab Hadrians, wie du dem Maienkönig Totila
den von dem gleichen Mann drohenden Stoß hast abgewehrt, so hätten wir damals schon Rom gewonnen und den Präfecten verjagt,
der uns leider entkam.«
»Ja, leider! Weißt du: das Abenteuer, das mir in jener Nacht aufgestoßen, in des Präfecten Hause, das schwebt mir schon lang
in Gedanken. Das gäbe ein wunderbares Lied – fehlt leider nur der Schluß.«
»Warte nur. Vielleicht erlebst du ihn. Dann brauchst du ihn nicht zu erdichten. Übrigens zog ich schon am Morgen nach jener
Siegesnacht in des Präfecten Haus zur Verfolgung der flüchtigen Legionäre aus. Ich weiß daher gar nicht, wie alles kam. Erzähle
mir.«
Zweites Kapitel
»Nun, so höre. Nachdem ich den Präfecten nicht am Tiber und nicht im Capitol gefunden, suchte ich ihn mit dir an seinem Herd.
Und fand nur seines Blutes Spur und sein Schwert. Als du aber seinen Götzen zertrümmert und sein Haus verbrannt und alles
zusammenbrach, bis in die Kellergewölbe, da fand ich, nachspürend, in dem Gebälk unter dem Sockel der Marmorstatue abermals
einen hohlen Raum: mit Gold, Gestein und allerlei Geschreibsel angefüllt. Ich brachte das Ganze auf einem breiten Schild dem
König. Und der ließ seine Buchleser darin forschen und wühlen und las selbst darin. Und rief plötzlich: ›Also Alarich, der
Balte, unschuldig!‹ Und tags darauf, da ich zu einem Königsherold auserkoren, war mein erst Geschäft, umherzureiten in den
Straßen Roms, auf weißem Roß, mit dem goldnen Heroldsstab, und auszurufen unter allen Goten und Römern: ›Adalgoth, des Königs
Herold, ruft! Gefunden ward in des Expräfecten Haus, durch Adalgoths, des Hirtenknaben Hand, Beweis und Schrift, daß Herzog
Alarich, der Balte, der vor zwanzig Jahren um Hochverrat zum Tode verurteilt ward, unschuldig war.‹«
»Wie ward das entdeckt?«
»Cethegus hatte in Geheimschrift, welche König Totila entziffern ließ, selbst in seinem Tagebuch verzeichnet, daß er den Verhaßten
durch Briefe, die er in des getäuschten Königs Hand spielte, den Balten des Hochverrats verdächtigt. Der Stolze, Hochgemute
reizte dann durch Trotz den Amaler und verschwand zuletzt plötzlich aus dem Kerker, niemand wußte, wie und wohin. Und weiter
hatt’ ich auszurufen in den Straßen: ›Unschuldig ist Alarich, der Balte. Sein Eigen, das der Staat eingezogen, wird ihm zurückgestellt.
Ihm oder seinem echten Erben. Das Herzogtum, das er geführt, das Herzogtum Apulia, wird ihm zurückgegeben. Ihm oder seinem
echten Erben. Es melde sich laut an des Königs Thron Herzog Alarich oder sein echter Erbe. Gold und Gabe, Echt und Eigen,
Vieh und Fahrnis, Wagen und Waffen, Geschmuck und Geschmeide, Äcker und Erbe, Rinder und Rosse und das reiche apulische Herzogtum,es werde dem Balten, dem Baltenerben. Wo ist Alarich? Wo sein Erbe?‹ Und wie ich zogen die Königsherolde durch alle Straßen
und Städte Italiens, rufend und forschend nach Herzog Alarich, dem Balten, und seinem echten Erben. Und weißt du: es wäre
doch wunderschön, wenn sie den verschollnen, landflüchtigen, alten Mann irgendwo fänden und wir ihn wieder mit Glanz und Ehren
einführten in sein schönes Herzogtum.«
»Und da er dem Hirtenknaben die Rettung seiner Ehre, seines Rechts verdankt – dürfte er ihm wohl schenken ein schönes Schloß,
etwa am blauen Meer, am Berge Garganus, nicht wahr, unter Lorbeer und Myrten?«
»Nein, daran hab’ ich noch nicht
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