Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein Kampf um Rom

Ein Kampf um Rom

Titel: Ein Kampf um Rom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felix Dahn
Vom Netzwerk:
wurde die kleine Villa verlassen und der Weg nach der Königsstadt angetreten. Cethegus schickte einen
     Eilboten voraus mit einem Brief Rusticianas an die Regentin. Die Witwe des Boëthius erklärte darin, daß sie die durch Vermittlung
     des Präfecten von Rom wiederholt angebotne Rückberufung an den Hof nunmehr anzunehmen bereit sei. Nicht als einen Akt der
     Gnade, sondern der Sühne, als ein Zeichen, daß die Erben Theoderichs dessen Unrecht an den Verblichenen gutmachen wollten.
     Diese stolze Sprache war wie aus Rusticianas tiefstem Herzen, und Cethegus wußte, daß solches Auftreten nicht schaden, nur
     alle verdächtige Auslegung der raschen Umstimmung ausschließen werde. Unterwegs noch traf die Reisenden die Antwort der Königin,
     welche sie am Hof willkommen hieß.
    In Ravenna angelangt, wurden sie von der Fürstin aufs ehrenvollste empfangen, mit Sklaven und Sklavinnen umgeben und in dieselben
     Räume des Palastes eingeführt, welche sie ehedem bewohnt. Freudig begrüßten sie die Römer. Aber der Zorn der Goten, welche
     in Boëthius und Symmachus undankbare Verräter verabscheuten, wurde durch diese Maßregeln, die eine indirekte Verurteilung
     Theoderichs zu enthalten schienen, schwer gereizt. Die letzten Freunde des großen Königs verließen grollend den verwelschten
     Hof.–
    Einstweilen hatten die Zeit, die Zerstreuungen der Reise und der Ankunft Camillas Aufregung gemildert. Und ihr Zorn konnte
     sich um so eher beschwichtigen, als ihr viele Wochen zu Ravenna verstrichen, ehe sie Athalarich begegnete. Denn der junge
     König war gefährlich erkrankt. Am Hof erzählte man, er habe bei einem Aufenthalt zu Aretium,– er wollte dort, mit geringer
     Begleitung, der Bergluft, der Bäder und der Jagd genießen – in den Wäldern von Tifernum in der Hitze der Jagd einen kalten
     Trunk aus einer Felsenquelle getan und sich dadurch einen heftigen Anfall seines alten Leidens zugezogen. Tatsache war, daß
     ihn sein Gefolge an jener Quelle bewußtlos niedergesunken gefunden hatte.
    Die Wirkung dieser Erzählung auf Camilla war seltsam. Zu dem Haß gegen Athalarich trat jetzt ein Zug von leisem Bedauern.
     Ja, eine Art von Selbstanklage. Aber andrerseits dankte sie dem Himmel, daß durch diese Krankheit eine Begegnung hinausgeschoben
     wurde, welche sie jetzt in Ravenna nicht minder fürchtete, als sie dieselbe, da sie noch fern von ihm in Tifernum war, lebhaft
     herbeigewünscht hatte. Und wenn sie jetzt in den weiten Anlagen des herrlichen Schloßgartens einsam wandelte, hatte sie immer
     und immer wieder zu bewundern, mit welcher Sorgfalt das kleine Gütchen des Corbulo diesem Muster nachgebildet worden war.
    Tage und Wochen vergingen. Man vernahm nichts von dem Kranken, als daß er zwar auf dem Weg der Besserung, aber noch streng
     an seine Gemächer gebunden sei. Ärzte und Hofleute, die ihn umgaben, priesen ihr oft seine Geduld und Kraft in den heftigsten
     Schmerzen, seine Dankbarkeit für jeden kleinen Liebesdienst, seine edle Milde. Aber wenn sie ihr Herz ertappte, wie gern es
     diesen Lobesworten lauschte, sagte sie heftig zu sich selbst: »Und meines Vaters Ermordung hat er nicht gehindert!«, und ihre
     Brauen zogen sich zusammen, und sie legte heimlich die geballte Faust auf das pochende Herz.
    In einer heißen Julinacht war Camilla nach langem friedlosem Wachen endlich gegen Morgen in unruhigen Schlaf gesunken. Angstvolle
     Träume quälten sie. Ihr war, als senke sich die Decke des Gemaches mit ihren Reliefgestalten auf sie nieder. Gerade über ihrem
     Haupte war ein jugendlich schöner Hypnos, der sanfte Gott des Schlafes, von hellenischer Hand gebildet, angebracht.
    Ihr träumte, der Schlafgott nehme die ernsteren, trauervollen Züge seines bleichen Bruders Thanatos an. Langsam und leise
     senkte der Gott des Todes sein Antlitz auf sie nieder.– Immer näher rückte er.– Immer bestimmter wurden seine Züge.– Schon
     fühlte sie den Hauch seines Atems auf ihrer Stirn.– Schon berührten fast die feinen Lippen ihren Mund.– Da erkannte sie mit
     Entsetzen die bleichen Züge, das dunkle Auge.– Es war Athalarich – dieser Todesgott.– Mit einem Schrei fuhr sie empor.
    Die zierliche Silberlampe war längst erloschen. Es dämmerte im Gemach. Ein rotes Licht drang gedämpft durch das Fenster von
     Frauenglas. Sie erhob sich und öffnete es; die Hähne krähten, die Sonne tauchte mit den ersten Strahlenspitzen aus dem Meer,
     auf welches sie, über den Schloßgarten hinweg, freien

Weitere Kostenlose Bücher