Ein Kampf um Rom
soll ihn nur beherrschen. Oder«, fügte er, sie scharf
ansehend, hinzu, »fürchtest du für ihr Herz?«
»Deine Zunge erlahme! Meine Tochter?
ihn
lieben? eher erwürg’ ich sie mit diesen Händen.«
Aber Cethegus war nachdenklich geworden. Es ist nicht um das Mädchen, sagte er zu sich selbst. Was liegt an ihr! Aber wenn
sie ihn liebt – und der Gote ist schön, geistvoll, schwärmerisch.
»Wo ist deine Tochter?« fragte er laut.
»Im Frauengemach. Auch wenn ich wollte, sie würde nie einwilligen, nie.«
»Wir wollen’s versuchen. Ich gehe zu ihr.«
Und sie traten ins Haus. Rusticiana wollte mit ihm in das Gemach. Aber Cethegus wies sie zurück.
»Allein muß ich sie haben!« sprach er und schritt durch den Vorhang.
Bei seinem Anblick erhob sich das schöne Mädchen von den Teppichen, auf denen sie in ratlosem Sinnen geruht. Gewöhnt, in dem
klugen, beherrschenden Mann, dem Freund ihres Vaters,stets einen Berater und Helfer zu finden, begrüßte sie ihn vertrauend wie die Kranke den Arzt.
»Du weißt, Cethegus?«
»Alles.«
»Und du bringst mir Hilfe.«
»Rache bring’ ich dir, Camilla!«
Das war ein neuer, ein mächtig ergreifender Gedanke! Nur Flucht, Rettung aus dieser qualvollen Lage hatten ihr bisher vorgeschwebt.
Höchstens eine zornige Abweisung der königlichen Geschenke. Aber jetzt Rache! Vergeltung für die Schmerzen dieser Stunden!
Rache für die erlittne Schmach! Rache an den Mördern ihres Vaters! Ihre Wunden waren frisch. Und in ihren Adern kochte das
heiße Blut des Südens. Ihr Herz frohlockte über Cethegus’ Wort!
»Rache? wer wird mich rächen? Du!«
»Du dich selbst! Das ist süßer.«
Ihre Augen blitzten.
»An wem?«
»An ihm. An seinem Haus. An allen unsern Feinden.«
»Wie kann ich das? Ein schwaches Mädchen?«
»Höre auf mich, Camilla. Nur dir, nur des edeln Boëthius edler Tochter sag’ ich, was ich sonst keinem Weib der Erde vertrauen
würde. Es besteht ein starker Bund von Patrioten, der die Herrschaft der Barbaren spurlos austilgen wird aus diesem Lande:
das Schwert der Rache hängt über den Häuptern der Tyrannen. Das Vaterland, der Schatten deines Vaters beruft dich, es herabzustürzen.«
»Mich? ich – meinen Vater rächen? sprich!« rief hocherglühend das Mädchen, die schwarzen Haare aus den Schläfen streichend.
»Es gilt ein Opfer. Rom fordert es.«
»Mein Blut, mein Leben! wie Virginia will ich sterben.«
»Du sollst leben, den Sieg zu schauen. Der König liebt dich. Du mußt nach Ravenna. An den Hof. Du mußt ihn verderben. Durch
diese Liebe. Wir alle haben keine Macht über ihn. Nur du hast Gewalt über seine Seele. Du sollst dich rächen und ihn vernichten.«
»Ihn vernichten?!« – Seltsam bewegt klang die leise Frage; ihr Busen wogte, ihre Stimme bebte in der Mischung ringender Gefühle,
Tränen brachen aus ihren Augen, sie verbarg das Gesicht in den Händen.–
Cethegus stand auf.
»Vergib«, sagte er. »Ich gehe. Ich wußte nicht, daß du den König liebst.«
Ein Weheschrei des Zornes wie bei physischem Schmerz drang aus des Mädchens Brust. Sie sprang auf und faßte ihn an der Schulter:
»Mann, wer sagt das? Ich hasse ihn! Hasse ihn, wie ich nie gewußt, daß ich hassen kann.«
»So beweis es. Denn ich glaub’ es dir nicht.«
»Ich will dir’s beweisen!« rief sie. »Sterben soll er! Er soll nicht leben!«
Sie warf das Haupt zurück, wild funkelten die blitzenden Augen, ihr schwarzes Haar flog um die weißen Schultern. Sie liebt
ihn, dachte Cethegus. Aber es schadet nicht. Denn sie weiß es noch nicht. Sie haßt ihn daneben. Und das allein weiß sie. Es
wird geh’n.
»Er soll nicht leben«, wiederholte sie. »Du sollst sehen«, lachte sie, »wie ich ihn liebe! Was soll ich tun?«
»Mir folgen in allem.«
»Und was versprichst du mir dafür? was soll er erleiden?«
»Verzehrende Liebe bis zum Tod.«
»Liebe zu mir? ja, ja, das soll er!«
»Er, sein Haus, sein Reich soll fallen.«
»Und er wird wissen, daß durch mich –?«
»Er soll es wissen. Wann reisen wir nach Ravenna?«
»Morgen! Nein, heute noch.« Sie hielt inne und faßte seine Hand: »Cethegus, sage, bin ich schön?«
»Der Schönsten eine.«
»Ha!« rief sie, die losgegangnen Locken schüttelnd. »Er soll mich lieben und verderben! Fort nach Ravenna! Ich will ihn sehen,
ich muß ihn sehen!«
Und sie stürmte aus dem Gemach.– Sie sehnte sich mit ganzer Seele, bei Athalarich zu sein.
Siebentes Kapitel
Noch am nämlichen Tage
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