Ein Kampf um Rom
dankbar den günstigen Einfluß, welchen dieser Umgang augenscheinlich
auf ihren Sohn übte: er wurde in Camillas Nähe ruhiger, heiterer, und war dann auch weicher gegen seine Mutter, welcher er
sonst oft heftig und schroff gegenübertrat. Auch beherrschte er sein Gefühl mit einer Sicherheit, welche bei dem reizbaren
Kranken doppelt befremdete: und endlich würde die Regentin, im Fall sich diese Liebe ernster geltend machte, sogar einer Verbindung
nicht abgeneigt gewesen sein, welche den römischen Adel völlig zu gewinnen und jedes Andenken einer unseligen Bluttat auszulöschen
versprach.–
In dem Mädchen aber ging eine wundersame Wandlung vor. Täglich mehr fühlte sie ihren Groll und Haß schwinden, wie sie täglich
klarer die edle Zartheit der Seele, den schwungvollen Geist, das tiefe, poesiereiche Gemüt des jungen Königs sich entfalten
sah. Nur mit Anstrengung konnte sie gegen diesen wachsenden Zauber sich immer wieder das Schicksal ihres Vatersals Talisman ins Andenken zurückrufen: immer mehr kam sie dazu, unter den Goten und Amalern, welche jenes Schicksal herbeigeführt,
mit Gerechtigkeit zu unterscheiden: immer bestimmter sagte sie sich, wie unbillig es sei, Athalarich um eines Unglücks willen
zu hassen, das er nur nicht verhindert hatte und wohl schwerlich hätte verhindern können. Längst hätte sie ihn am liebsten
völlig freigesprochen: aber sie mißtraute dieser Milde: sie scheute sie wie eine schwarze Sünde gegen Vater, Vaterland und
eigne Freiheit. Mit Zittern nahm sie wahr, wie unentbehrlich dies edle Menschenbild ihr wurde, wie mächtig sie sich sehnte,
diese melodische Stimme zu hören und in dies dunkle, sinnige Auge zu blicken. Sie fürchtete diese frevelhafte Liebe, welche
sie sich nur schwer mehr verhehlen konnte, und die einzige Waffe, mit welcher sie sich noch dagegen sträubte, der Vorwurf
seiner Mitschuld an des Vaters Untergang, wollte sie sich nicht entwinden lassen.
So schwankte sie in wogenden Gefühlen, desto unsichrer, je rätselhafter ihr Athalarichs geschlossne Sicherheit blieb. Sie
konnte ja nicht daran zweifeln, daß er sie liebe, nach allem, was geschehen – aber doch! Nicht eine Silbe, nicht ein Blick
verriet diese Liebe: jene Äußerung, mit welcher er sie damals am Venustempel rasch verlassen, war das bedeutsamste, das einzige
bedeutsame Wort, das ihm entschlüpfte. Sie ahnte nicht, was die hochwogende Seele des Jünglings durchgekämpft und durchgelitten,
bis seine Liebe zwar nicht erlosch, aber entsagte, und noch weniger, in welch neuem Gefühl er die männliche Kraft solcher
Entsagung gefunden.
Ihre Mutter, welche ihn mit aller Schärfe des Hasses beobachtete und darüber das eigne Kind zu überwachen vergaß, schien noch
mehr erstaunt über seine Kälte. »Aber Geduld«, sprach sie zu Cethegus, mit welchem sie oft hinter Camillas Rücken Beratung
pflog, »Geduld, bald, binnen drei Tagen, wirst du ihn verwandelt sehen.«
»Es wäre Zeit«, meinte Cethegus; »aber auf was vertraust du?«
»Auf ein Mittel, welches noch nie getäuscht hat.«
»Du wirst ihm doch kein Liebestränklein brauen?« lächelte der Präfect.
»Allerdings, das werd’ ich tun; das hab’ ich schon getan.«
Jener sah sie spöttisch an: »Auch bei dir solcher Aberglaube, bei der Witwe des großen Philosophen Boëthius! Im Liebeswahn
sind alle Weiber gleich!«
»Nicht Wahn und Aberglaube«, sagte Rusticiana ruhig. »Seit mehr als hundert Jahren lebt das Geheimnis in unserer Familie.
Ein ägyptisch Weib hat es dereinst am Nil meine Ureltermutter gelehrt. Und es hat sich bewährt. Kein Weib unseres Hauses hat
ohne Erhörung geliebt.«
»Dazu braucht’s keinen Zauber«, meinte der Präfect: »ihr seid ein schönes Geschlecht.«
»Spare deinen Spott. Der Trank wirkt unfehlbar, und wenn er bis heute nicht wirkte –«
»So hast du wirklich – Unvorsichtige! wie konntest du unvermerkt?« –
»Am Abend, wenn er vom Spaziergang oder von der Gondelfahrt mit uns zurückkommt, nimmt er einen Becher gewürzten Falerners.
Der Arzt hat es ihm verordnet: es sind Tropfen arabischen Balsams darin. Der Becher steht immer bereit auf dem Marmortisch
vor dem Venustempel. Dreimal schon gelang es, den Trank hineinzuschütten.«
»Nun«, meinte Cethegus, »es hat bis jetzt nicht sonderlich gewirkt.«
»Daran ist nur deine Ungeduld die Ursache. Die Kräuter müssen im Neumond gebrochen werden – ich wußte das wohl. Aber, gedrängt
von deinen
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