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Ein Kampf um Rom

Ein Kampf um Rom

Titel: Ein Kampf um Rom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felix Dahn
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Mahnungen, versucht’ ich’s schon im Vollmond, und du siehst, es wirkte nicht.«
    Cethegus zuckte die Achseln.
    »Aber gestern nacht trat Neumond ein. Ich war nicht müßig mit meiner goldnen Schere, und wenn er jetzt trinkt   –«
    »Eine zweite Locusta! Nun, mein Trost sind Camillas schöne Augen. Weiß sie von deinen Künsten?«
    »Kein Wort zu ihr! Sie würde das nie dulden. Stille, sie kommt.«
    Das Mädchen trat ein in lebhafter Erregung, die ovalen Wangen gerötet, eine Flechte des dunklen Haares war losgegangen und
     spielte um den feinen Nacken.
    »Saget mir, ihr, die ihr klug seid und menschenerfahren, sagt mir, was soll ich denken? Ich komme aus dem Schiff. Oh, er hat
     mich nie geliebt! der Hochmütige, er bemitleidet, er bedauert mich! Nein, das ist nicht das rechte Wort. Ich kann es mir nicht
     deuten.« Und in Tränen ausbrechend, barg sie das Haupt am Halse der Mutter.
    »Was ist geschehen, Camilla?« fragte Cethegus.
    »Schon oft«, begann sie tiefaufatmend, »spielte ein Zug um seinen Mund, sprach eine Wehmut aus seinem Auge, als sei Er der
     tief von mir Gekränkte, als habe Er uns edel zu vergeben, als habe er mir ein großes Opfer gebracht   –«
    »Unreife Knaben bilden sich immer ein, es sei ein Opfer, wenn sie lieben.«
    Da blitzte Camillas Auge, sie warf den schönen Kopf zurück und wandte sich heftig gegen Cethegus: »Athalarich ist kein Knabe
     mehr, und man soll ihn nicht verhöhnen.«
    Cethegus schwieg, ruhig die Augen senkend. Aber Rusticiana fragte erstaunt: »Hassest du den König nicht mehr?«
    »Bis zum Tode. Man soll ihn verderben, nicht verhöhnen.«
    »Was ist geschehen?« wiederholte Cethegus.
    »Heute stand jener rätselhafte, kalte, stolze Zug deutlicher als je auf seinem Antlitz. Ein Zufall äußerte ihn in Worten.
     Wir waren eben gelandet. Ein Insekt, ein Käfer, war ins Wasser gefallen: der König bückte sich und zog’s heraus: das Tierchen
     aber wehrte sich gegen die mildtätige Hand und biß mit den Zangen des Kopfes in den Finger, der ihn hielt. ›Der Undankbare‹,
     sagte ich. ›Oh‹, sprach Athalarich, bitter lächelnd, und er setzte den Käfer auf ein Blatt: ›man verwundet die am meisten,
     die am meisten für uns getan.‹ Und dabei flog sein Blick mit stolzer Wehmut über mich dahin. Doch rasch, als ob er zuviel
     gesagt, schritt er kalt grüßend hinweg. Ich aber« – und ihre Brust wogte, ihre feingeschnittenen Lippen schlossen sich – »ich
     aber trage das nicht mehr. Der Stolze! er soll mich lieben – oder sterben.«
    »Das soll er«, sagte Cethegus kaum hörbar, »eins von beide n .« –

Neuntes Kapitel
    Wenige Tage darauf wurde der Hof durch einen neuen Schritt des jungen Königs zur Selbständigkeit überrascht: er selbst berief
     den Rat der Regentschaft, ein Recht, das bisher nur Amalaswintha geübt. Die Regentin war nicht wenig erstaunt, als ein Bote
     ihres Sohnes sie in dessen Zimmer beschied, wo der König bereits eine Auswahl der höchsten Beamten des Reiches um sich versammelt
     habe, Goten und Römer, unter diesen Cassiodor und Cethegus. Dieser hatte zuerst beschlossen, auszubleiben, um nicht durch
     sein Erscheinen das Recht anzuerkennen, das sich der Knabe herausnahm: ihm ahnte nichts Gutes. Aber eben deshalb besann er
     sich bald eines andern. »Ich darf der Gefahr nicht den Rücken, die Stirn muß ich ihr bieten«, sprach er, als er sich zu dem
     verhaßten Gang anschickte.
    Er fand in dem Gemach des Königs alle Geladenen bereits versammelt. Nur die Regentin fehlte noch. Als sie eintrat, erhob sich
     Athalarich – er trug eine langfaltige Abolla von Purpur, die Krone Theoderichs glänzte auf seinem Haupt, und unter dem Mantel
     klirrte das Schwert – von seinem Thronsessel, der vor einer durch einen Vorhang geschlossnen Nische stand, ging ihr entgegen
     und führte sie zu einem zweiten höheren Stuhl, welcher aber zur Linken stand. Als sie sich niedergelassen, hob er an:
    »Meine königliche Mutter, tapfre Goten, edle Römer! Wir haben euch hierherbeschieden, euch unsern Willen kundzutun. Es drohten
     diesem Reiche Gefahren, welche nur wir, der König dieses Reiches, abwenden konnten.«
    Solche Sprache hatte man von diesem Munde noch nicht vernommen. Alle schwiegen betroffen, Cethegus aus Klugheit: er wollte
     seinen Moment abwarten. Endlich begann Cassiodor:
    »Deine weise Mutter und dein getreuer Diener Cassiodor«–
    »Mein getreuer Diener Cassiodor schweigt, bis sein Herr und König ihn um Rat befragt. Wir sind

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