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Ein Kelch voll Wind

Ein Kelch voll Wind

Titel: Ein Kelch voll Wind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cate Tiernan
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alles, was mir vor New Orleans widerfahren war, für immer ausgelöscht sein, als wäre es einer anderen Person passiert. Ich fühlte Lucs Augen auf mir ruhen und die von Clio auf ihm. Ich ignorierte ihn, so gut ich konnte, doch allein weil ich mich im selben Raum aufhielt wie er, stieg mir Hitze in die Wangen.
    »A lso, unsere Geschichte hat eigentlich schon vor langer Zeit begonnen«, sagte Ouida langsam. »U nsere Leute kamen aus Frankreich über Kanada und ließen sich in Süd-Louisiana nieder, nicht weit von New Orleans. Das war im späten 17. Jahrhundert. Zu dieser Zeit existierten fünfzehn Familien, insgesamt achtundfünfzig Menschen. Sie lebten in Frieden, bauten sich in ihrer neuen Wahlheimat ein Leben, ein Zuhause auf, praktizierten die Bonne Magie und hielten alte Traditionen in Ehren. Beinahe hundert Jahre ging es immer so weiter. Und wie in jeder Gruppe gab es Anführer und Anhänger– Menschen, die stärker, und solche, die schwächer waren. Innerhalb der fünfzehn Familien und einiger neuer Familien, die durch Hochzeiten untereinander entstanden waren, hatten sich verschiedene Zirkel herausgebildet.«
    »A cht, glaube ich.« Jules runzelte nachdenklich die Stirn.
    »A n diesem Punkt muss ich euch wohl ein wenig über die Magie Noir erzählen«, fuhr Ouida fort und holte tief Luft.
    »Ü ber schwarze Magie?«, fragte Clio überrascht.
    »J a«, erwiderte Ouida bestimmt. »I n unserer Gemeinschaft experimentierten junge Leute und Teenager oft mit Magie Noir, bevor sie ihren Aufstiegsritus begingen. Heutzutage würden sie wohl Drogen, Alkohol oder Sex ausprobieren.«
    »O der alles drei«, murmelte Richard, und ich spürte ein Kribbeln auf der Haut. Seltsamerweise hatte Richard etwas sehr Sympathisches an sich, doch andererseits war er einfach zu jung, um so »d ark« daherzukommen. Es war unheimlich.
    »D amals war es jedenfalls die Magie Noi r « , sagte Ouida. »W enn sie erwischt wurden, bestrafte man sie natürlich, aber die allgemeine Haltung war, dass sie sich ausprobieren mussten, sich die Hörner abstoßen sollten, um sich dann wie vorgesehen in die Gemeinschaft einzufügen. Und meistens passierte genau das.«
    »B is Melita kam«, sagte Daedalus und die Erinnerung schwang in seiner Stimme mit, als habe sich all das erst vor einem Jahr zugetragen.
    »J a«, sagte Ouida. »B is Melita kam. Melita war eine überaus mächtige Hexe, die über eine solche Kraft verfügte, wie es alle hundert Jahre einmal vorkommt. Sie lernte schnell, sog Informationen, Riten und Geschichten in sich auf wie ein Schwamm. Ihren Aufstiegsritus hatte sie noch vor ihrem sechzehnten Geburtstag hinter sich, was sie noch mächtiger werden ließ.«
    Ich hatte Ouida die ganze Zeit über angesehen. Als ich meinen Blick von ihr abwandte, überraschten mich die Gesichter der anderen. Fast auf allen lag ein Ausdruck von Düsternis. Diese Hexen und Hexer, die noch vor zehn Minuten aus lauter Freude gesungen hatten, wirkten, als seien sie in Trauer und Schmerz versunken. Ich riskierte einen Blick auf Luc, der noch elender aussah als zuvor. Wir schauten uns an. Er war vollkommen ruhig und nachdenklich. Ich wandte mich ab. Mein Herz klopfte.
    »D ie Gemeinschaft ignorierte die Vorkommnisse und wollte nicht wahrhaben, dass Melita nicht einfach nur die Magie-Noir -Phase durchlief. Sie hatte ihre wahre Freude daran, betrieb sie mit großem Eifer und arbeitete hart daran, ihre Macht durch dunkle, gefährliche Methoden stetig zu vergrößern.«
    Jules senkte den Kopf und rieb sich die Augen, als sei er über alle Maßen müde. Zum ersten Mal trug Daedalus kein Gebrauchtwagenhändlerlächeln zur Schau, sondern sah steif und angestrengt aus.
    »E ines Nachts ging Melita in die Wälder, um ihre dunklen Riten zu vollführen. Dort stieß sie auf eine kleine, sprudelnde Quelle, une Source, wobei immer noch nicht klar ist, ob sie sie erschaffen oder einfach nur gefunden hat. Das Wasser war rot gefärbt und sehr kalt. Sie hat davon getrunken.«
    »S ie sagte, sie habe sie selbst hergestellt«, erklärte Richard. »D urch ihre Magie heraufbeschworen.«
    Daedalus wirbelte zu ihm herum. »D as glaube ich nicht. Es war der pure Zufall, der sie dort hingeführt hat.«
    »W ie auch immer es passiert ist«, fuhr Ouida fort, »v on diesem Tag an war Melita niemals mehr krank. Als der gesamte Rest der Gemeinschaft die Grippe hatte und mehr als zwanzig Menschen starben, zeigte Melita nicht das geringste Zeichen von Unwohlsein. Jede ihrer Verletzungen heilte

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