Ein Kerl macht noch keinen Sommer
schoss, während sie vor ihrem geistigen Auge sah, wie Vladimir ihr die Strümpfe über den Beinen glatt strich und die Spitzen an ihren Oberschenkel befestigte. Ihre Fantasie ging fast mit ihr durch, und bis er sich wieder aufgerichtet hatte, entsprach ihr Gesicht ungefähr dem »gekochten Hummer« auf einer Dulux-Farbtafel. Er sah sie prüfend an und brüllte dann über den Wandschirm:
» Maria, S i-a dat cu prea mult fard de obraz! Sie hat zu viel Rouge drauf!«
Niemand musste Rumänisch können, um den Sinn der Worte zu verstehen, die Maria zu ihm zurückschrie. Es war offensichtlich, was sie von seiner Kritik hielt. Anna fächelte sich verzweifelt Luft zu, um ihre Blutgefäße zu kühlen, damit sie sich wieder verengten.
Vladimir half Anna in das Kleid, das er für das Fotoshooting gemacht hatte, ein rotes Samtkleid mit einem Fischschwanzrock. Er war ausgesprochen schlicht und ausgesprochen hinreißend. Schweigend zog er ihr den Reißverschluss zu und strich den Stoff über ihrem Rücken glatt. Sie versuchte, ihre Fantasie zu zügeln, bevor ihre Wangen wieder zu glühen begannen. Dann hielt Vladimir die höchsten blutroten Schuhe hoch, die sie je im Leben gesehen hatte. Sie würde Sauerstoff benötigen, nachdem sie sie angezogen hatte. Zum Glück musste sie in ihnen nicht weit laufen, sondern nur dastehen wie eine Frau, die gern mit der Kamera flirtete. Das war ganz leicht. Ehrlich gesagt, war sie in diesen Kleidern sehr zum Flirten aufgelegt. Ihre Beine kamen ihr in diesen Schuhen ungefähr zwei Meter lang vor.
»Anna, wie fühlen Sie sich?«, fragte Vladimir.
»Gut«, antwortete sie atemlos.
»Gut?«, knurrte er. » Gut? «
»Okay, ich fühle mich fantastisch.« Anna schnalzte mit der Zunge über seine Empörung. »Kann ich mich jetzt sehen?«
» Nu «, antwortete Vladimir entschieden. »Anna, ich will, dass Sie sich gut einprägen, wie Sie sich jetzt fühlen.«
»Oh, oh, das klingt aber verdächtig danach, als ob ich nicht so gut aussehe, wie ich mich fühle«, seufzte Anna enttäuscht.
»Ich zeige Ihnen jetzt Ihren heutigen Spiegel«, sagte er. Er winkte sie hinter dem Wandschirm hervor, und sie gab sich alle Mühe, auf diesen hohen Absätzen möglichst anmutig zu gehen.
Das fröhliche Geplänkel der Filmcrew verstummte augenblicklich. Maria und Leonid hoben den Kopf, um sie anzusehen, und ihre Augen weiteten sich so sehr, dass ihnen fast die Augäpfel herausfielen. Leonid ließ seine Kamera fallen und fluchte in seiner Muttersprache: » La dracu! «, was Bruce noch einmal auf Englisch mit »Teufel nochmal!« wiedergab. Maria schüttelte jetzt völlig fassungslos den Kopf – und dann lächelte sie allen Ernstes. Zugegeben, es war kein strahlendes Lächeln, aber Maria sah ohnehin nicht so aus, als würde sie auch nur die Miene verziehen, selbst wenn sie von drei Kraken mit Staubwedeln gekitzelt würde.
»Na, na, na«, sagte Mark. »Anna, Sie sehen … sehen … wie soll ich es sagen …?«
»Ich bin mir nicht sicher, ob es überhaupt ein Wort dafür gibt«, lächelte Jane. »Vielleicht werden wir uns eines einfallen lassen müssen. Fanwundertastisch. Umwerfentzückend.«
Anna blies die Wangen auf. Sie bekam von so vielen Seiten zu hören, dass sie vielleicht gar nicht so schlecht aussah, dass es die Mauern ihres bescheidenen Selbstbildes durchbrach und eine angenehme Wärme durch sie strömte.
Leonid hielt ihr Bild eifrig mit der Kamera fest, und selbst Maria schien völlig gebannt von ihr zu sein und ging nur kurz dazwischen, um ein paar glänzende Stellen abzutupfen, wenn es nötig war. Dann musste Anna das Samtkleid fallen lassen und für ein paar sehr stimmungsvolle Aufnahmen in Vladimirs fabelhafter, luxuriöser Unterwäsche posieren.
»Oh, wow, Anna Brightside!«, lächelte Jane, die Hände wie zum Gebet an die Lippen gelegt. »Sie sehen einfach hinreißend aus.«
Anna zog einen Schmollmund und posierte wie ein professionelles Model. Sie genoss das Gefühl, sexy, kurvenreich und feminin auszusehen. Sie fühlte sich, als hätte sie sogar Johnny Depp herumkriegen können, wenn er im Raum gewesen wäre. Zum Schluss war sie so verausgabt, dass sie eine Zigarette brauchte. Alle brachen in begeisterten Applaus aus, als Mark rief, die Szene sei im Kasten.
Vladimir reichte ihr einen Kelch mit Wein.
»Entspannen Sie sich und genießen Sie das hier«, sagte er.
»Lassen Sie mich erst dieses Korsett ausziehen, ich will es mir nicht bekleckern«, sagte Anna.
»Nein, bitte setzen Sie sich«,
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