Ein Kerl macht noch keinen Sommer
dass sie ihn in Schutz nahm, aber sie wollte gern glauben, dass er selbst litt und schwach war, nicht ein absolutes Arschloch mit so viel Rückgrat wie ein Pfeifenreiniger.
»Ja, natürlich, der Ärmste«, sagte Christie angespannt.
»Es tut mir so leid.« Auf einmal brach Anna in ein lautes, herzzerreißendes Schluchzen aus. Ihre Würde war ihr längst abhandengekommen. Sie war nur noch ein Bündel verworrener Gefühle. »Und am Freitag werde ich vierzig. Das ist mir auch keine große Hilfe!«
»Du liebe Güte!«, sagte Christie. »Sie sollten die Tür zu diesem vierzigsten Lebensjahr weit aufreißen und es über die Schwelle zerren!«
»Ich werde alt«, sagte Anna.
»Ja, na klar!«, fauchte Christie. »Frauen mit vierzig sind wundervolle Geschöpfe. Wieso in aller Welt glauben Frauen bloß, dass sie mit vierzig alt sind? Die Hälfte von ihnen wird in dem Alter wiedergeboren, da sie noch gar nicht richtig gelebt haben, bis die Vierzig kommt und sie in den Hintern tritt.«
Anna lächelte unwillkürlich über die Vehemenz von Christies Worten.
»Und noch etwas: Ich will Sie nicht auf der Arbeit sehen, bevor Sie wieder gesund sind«, warnte Christie sie.
»Ich kann nicht länger als unbedingt nötig in diesem Haus herumhängen, Christie. Das deprimiert mich zu sehr. Und jetzt hole ich Ihnen besser einen Lappen für Ihren Rock.« Anna wollte aufstehen, aber sie wurde sanft wieder aufs Sofa gedrückt.
»Schon gut, das kann ich später abbürsten. Wollen Sie irgendetwas essen?«
»Nein, ich könnte jetzt nichts vertragen.« Anna graute schon bei dem Gedanken an Essen. »Ich will nur noch schlafen.«
»Dann schlafen Sie jetzt, Liebes.« Christie nahm ein paar kleine Decken vom anderen Ende des Sofas und steckte sie um Anna fest. Anna fielen bereits die Augen zu. Sie hörte, wie die Haustür zuging und der Schlüssel durch den Briefschlitz gesteckt wurde. Und dann schlief sie ein.
Fünfundzwanzigstes Kapitel
A ls Anna am nächsten Tag zur Arbeit kam, war sie ein bisschen schwach auf den Beinen, obwohl sie so vernünftig gewesen war, etwas Toast zu essen. Aber wie sie Christie bereits gesagt hatte, wollte sie nicht mehr Zeit als unbedingt nötig in einem Haus verbringen, das voller unguter Erinnerungen war. Außerdem wollte sie Dawn eine neue Strumpfhose bringen.
»Sie Dummerchen«, sagte Dawn, als Anna sie ihr überreichte.
Christie schenkte Anna ein breites, freundliches, einladendes Lächeln.
»Heute Morgen haben Sie immerhin schon ein bisschen Farbe auf den Wangen. Ich hoffe, Sie haben gut geschlafen.«
»Ich kann mich nicht erinnern, aufgestanden und ins Bett gegangen zu sein, aber ich muss es getan haben, denn dort bin ich aufgewacht«, antwortete Anna. »Heute geht es mir schon viel besser. Danke, dass Sie mich nachhause gebracht haben, Christie. Und danke fürs Zuhören.«
»Keine Ursache.« Christie tat es mit einer Handbewegung ab. »Ich bin froh, dass ich helfen konnte.«
»Hört mal, es ist nichts Großes … nur eine Geste, um mich bei euch allen zu bedanken, wo ihr gestern so nett zu mir wart …« Anna holte vier Schachteln Pralinen aus ihrer Handtasche, die sie an dem Zeitungskiosk am Bahnhof gekauft hatte.
»Sie bekommen hier wohl zu viel bezahlt«, grinste Dawn, Annas Mitbringsel in den Händen.
»Das war doch wirklich nicht nötig«, sagte Grace. »Ich habe Ihnen nur Ihren Mantel gebracht.«
»Und ich nur Ihre Tasche«, sagte Raychel.
»Sie haben mehr als das getan«, sagte Anna. Sie konnte es nicht in Worte fassen, ohne theatralisch zu klingen. Sie dachte an die Wärme in den Augen der Frauen – kein Mitleid, sondern Unterstützung. Das war ein Unterschied.
Dawn hatte bereits drei Pralinen gegessen. »Ihnen sollte öfter im Büro schlecht werden«, sagte sie zwischen zwei Kaffee-Sahne-Pralinen. Dann verbesserte sie sich rasch. »Ich meine, nicht richtig schlecht, nur schlecht genug, um Pralinen …«
»Ja, ja, wir wissen schon, was Sie meinen, Dawn«, schnitt ihr Christie das Wort ab. Das Mädchen besaß nicht einen Funken Boshaftigkeit, nur eine sehr unbeholfene Art, sich auszudrücken. »Anna, ich werde Ihre Pralinen mitnehmen und sie zu meinem Kaffee essen, wo Sie schon so nett waren, sie zu kaufen«, fuhr sie fort. »Und wir anderen haben inzwischen geredet. Da Sie am Freitag Geburtstag haben, wie wär’s, wenn wir unsere Gemeinschaftskasse mit dem Gewinn vom Pferderennen plündern und mit Ihnen zusammen feiern?«
»In diesem Thailokal am Ende der Straße. Das wäre
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